
© A Klaer
Kultur: Fremde Wesen und andere
Der Brandenburgische Kunstverein zeigt Werke der Sammlung Kienzle im Pavillon auf der Freundschaftsinsel
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Ein ungewöhnliches Konzept hat sich Gerrit Gohlke für die aktuelle Ausstellung des Brandenburgischen Kunstvereins (BKV) auf der Museumsinsel überlegt. Die Erläuterungen zu den Bildern finden sich auf der Rückseite der Stellwände, so dass der Betrachter das Bild erst umrunden muss, um sie lesen zu können.
„Ich wollte es nicht so einfach machen. Die Besucher sollen sich erst einmal Gedanken über die Bilder machen, bevor sie die Erklärungen lesen“, sagt Gohlke, künstlerischer Leiter im BKV. Das verwirrt zunächst, denn nicht jeder Besucher durchschaut das Konzept unmittelbar. Dabei ist die Inszenierung der Ausstellung: „Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ haargenau auf den Pavillon auf der Freundschaftsinsel zugeschnitten. An weißen Tableaus, die von der Decke herab hängen, sind die Bilder befestigt. So entsteht eine Raumsituation, die es möglich macht, selbst in dem für Tafelbilder schwierigen Glashaus eine stimmige Ausstellung zu inszenieren.
Zu sehen sind Werke aus der Kienzle Art Foundation, die aus der Sammlung von Jochen Kienzle hervor gegangen ist. Der Titel nimmt Bezug auf Ridley Scotts Stil bildenden Science Fiction Film. Tatsächlich erscheint ein Gutteil der Bilder wie Fremde. Die „unheimlichen Wesen“ ein Stück weit zugänglich machen, das wolle die Ausstellung, sagt Gohlke. Sie wolle aber nicht erklären und habe auch keine museumspädagogischen Ambitionen. Dementsprechend schildern die dazugehörigen Texte Eindrücke, werfen Schlaglichter auf die ausgestellten Werke. Das ist geschickt, denn so wird der Besucher angeregt, sich auch mit seiner eigenen Wahrnehmung auseinander zu setzen.
„Wieso ist das ein Bild? Könnte man da nicht Gürtel oder Kleiderreste aufhängen? Sind das Gürtel oder Kleiderreste? Hat die Künstlerin sie als Heimnäherin zusammengefügt, verklebt, gummiert und bemalt“, fragt Gohlke angesichts einer Materialassemblage von Louise Fishman. Seine Fragen beschreiben wohl tatsächlich den Entstehungsprozess des ausgestellten Werkes aus dem Jahre 1971. Zur Zeit der Entstehung der Assemblage war sicher nicht erkennbar, dass der sonderbare Gegenstand einmal als Inkunabel weiblicher Artikulation im Kunstbetrieb betrachtet werden könnte. Heute wird er mit einem fünfstelligen Verkaufspreis gehandelt, der das Jahreseinkommen eines mittleren Angestellten erreicht. Seine Bedeutung ist dem Objekt nicht ablesbar. Sie ergibt sich aus dem Rezeptionszusammenhang, in dem Fishman mittlerweile angelangt ist. Die 1939 geborene Künstlerin hat sich intensiv mit weiblichen Rollenmustern auseinandergesetzt und thematisiert die männliche Dominanz speziell im Genre der abstrakten Malerei. Ein weiterer Aspekt ihres Werkes kreist um die Menschenvernichtung im zweiten Weltkrieg. Dies verleiht dem Werk der Künstlerin eine Glaubwürdigkeit, die auch auf die frühe Arbeit zurück wirkt.
„Kienzle hat früh erkennt, welche Künstler bedeutend werden könnten“, kommentiert Gohlke. Das zeigt sich auch bei dem Bild des jungen Franz Erhard Walther aus dem Jahr 1959. Eine beige Fläche, auf der aber Schemen von Figuren erkennbar sind. Es handele sich wahrscheinlich um das letzte rein malerische, figurale Experiment des Künstlers, bevor er dazu überging Figur und Gemälde zu skulpturalen Inszenierungen zu verschränken, so Gohlke. Durch seine unscharfe Zeichnung wirkt das Bild Walthers auf eine rätselhafte Weise verschlüsselt und lässt dabei Platz für einen assoziativen Zugang. Das unterscheidet es von den meisten Arbeiten der Ausstellung. Die zeigen überwiegend ein breites Spektrum des intellektuellen Spielraums, den die zweidimensionale abstrakte Formulierung in der Fläche eröffnet. Interessant ist es Arbeiten von Künstlern zu sehen, von denen noch nicht abzulesen ist, dass sie teils Richtung weisend werden sollten. Übertrieben sinnlich sind die meisten Arbeiten dabei allerdings nicht.
Richard Rabensaat
„Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ noch bis zum 31. Juli, dienstags bis sonntagds, 12-18 Uhr, im Pavillon auf der Freundschaftsinsel
Richard Rabensaat
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