
© Manfred Thomas
Kultur: Freude am Tun statt Stumpfsinn im Blick
„Movement of working people“: Phill Niblocks Tongebilde im Container auf dem Schirrhof
Stand:
Ab heute wird es auf dem Schirrhof in der Schiffbauergasse so richtig brummen. Schon von Weitem vernimmt man die sonoren Töne aus dem TAZ-Container. Mono-Ton in beachtlichen Tiefen, könnte man meinen. Doch wer genauer hinhört, wird die aufgetürmten und geschichteten Sequenzen erkennen. Wer sich dann auch noch hineintraut in den Container, ist den durchkomponierten Tongebilden des New Yorker Allrounders Phill Niblock mit Haut und Haar samt Ohrenpaar ausgeliefert, denn der Stahlbehälter hält beinahe jede Note fest, verstärkt sie sogar.
„Eine unserer größten Nummern“, versicherte „Trollwerk-Art“-Kurator Erik Bruinenberg beim Pressetermin vorab. Falls noch irgendjemand daran zweifelte, dass Kunst immer nur „innen“ ist und auch nur dort „stattfindet“, sollte sich von dem achtundsiebzigjährigen Multimedia- und Minimal-Art-Mann Niblock eines Besseren belehren lassen – so das Gezeigte denn „Kunst“ ist. Man weiß ja nie. Niblocks Spezialgebiet wird mit Musik/Sound, Film, Fotografie, Video und Computertechnologien angegeben. Das wissen alle, die 1996 beim New-York-Festival in der Russenhalle am Schirrhof dabei waren.
Die Idee für sein jetzt in TAZ III gezeigtes Opus „Movement of working people“ ist denkbar simpel. Er koppelt seinen bärbrummigen Tiefton-Sound mit Filmmaterial. Ändert sich am „Ton“ jeweils nur so viel, dass man ihn noch als „monoton“ wahrnehmen kann, so zeigen seine Bilder bestimmte Arbeitsabläufe: mexikanische Fischer, chinesische Teepflückerinnen, südamerikanische Indios beim Bau eines Einbaums. Warum Nieblock bei seiner Suche nach „routinierten“, sich stets wiederholenden Tätigkeiten, ausgerechnet die hochindustrialisierten Länder ausgelassen hat, ist rätselhaft. Die mexikanischen Tang- und Krabbenfischer jedenfalls haben eher Freude am Tun als Stumpfsinn im Blick, und so addieren sich Bild und Gebrumme nicht etwa, wie konzeptionell gewünscht, zu „einem bestimmten Rauschzustand“, sie gehen vielmehr ihre eigenen Wege – so einer Kraft und Ruhe findet, die Schöpfung dieses „Klangtechnikers“ mitzutragen oder wenigstens auszuhalten.
An Filmmaterial hat TAZ III nun überreichlich, Nieblocks lautstarkes Tonkonstrukt freilich ist lediglich fünfzehn Minuten lang, sodass sich „Endlos-Schleifen“ ganz wie von selbst ergäben. Diese Versuchsanordnung vollzieht letztlich das alte Tonfilm-Prinzip nach, nur dass sie das Bild laufen lässt, den Ton aber gern anhalten will, ohne ihn gleich zu tilgen.
Ein interessantes Experiment zwar, doch ob sich deswegen nun „da drinnen“ Kunst abspielt oder ereignet, darf bezweifelt werden. Ein so erfahrener Mann wie Phill Niblock wird ja wohl nicht probiert haben, den Eindruck von Monotonie durch Monotonie zu erzwingen!
Egal, Trollwerk-Arts zweiter Wurf im Schirrhof versteht sich als marginaler Beitrag zum aktuellen Kulturland-Thema „Film“. Sollte das gewaltige Gebrumme trotzdem jemanden zur Flucht aus dem Gehäuse treiben, muss das nicht unbedingt am „Rauschzustand“ a la Niblock liegen.Gerold Paul
Zu sehen bis 3. Juli, immer freitags und samstags ab 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei
Gerold Paul
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