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Kultur: Freudige Sinnsuche

„Meditationen“ für Flöte und Orgel in der Klein-Glienicker Kapelle

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„Meditationen“ für Flöte und Orgel in der Klein-Glienicker Kapelle Nachdenken, besinnliche Einkehr, sich Vertiefen in die Dinge des Lebens – all das verbindet sich mit dem Begriff der Meditation. Ein weites Feld für Philosophen von Descartes bis Kant. Auch die Musik hat es seit alters her fleißig beackert - zu Nutz und Frommen der Sinnsucher, denn hier wird Spirituelles unmittelbar erfahrbar. Der Geist kann in Gebiete vordringen, von denen sich unsere Schulweisheit – frei nach Goethe – nichts träumen lässt. Das verinnerlichte Versenken hält sich bei der klingenden Meditationsofferte für Flöte (Birgitta Winkler) und Orgel (Andreas Zacher) in der Klein-Glienicker Kapelle jedoch nicht immer an diese Assoziationen. Von Bach bis Hindemith reicht das Angebot, wobei die anvisierte Innerlichkeit fern des tränendrüsigen Versenkens durchaus irdische, handfeste Züge annimmt. Schon in der einleitend erklingenden Sammlung von iberischen Tanzstücken „Les Folies d''Espagne“ aus der französischen Feder Marin Marais'' (1656-1728) ist davon eine Menge zu vernehmen. In diesem einst weit verbreiteten Variationsmodell bestimmt allein die Oberstimmenmelodie den musikalischen Verlauf, dem sich die Basslinie – meist als „liegender“ Orgelton im Pedal – total unterordnet. Während die Flöte zunächst getragene Melodien anstimmt, verlassen diese alsbald die introvertierten Bereiche, um sich beschwingten, kapriziösen und virtuosen Vergnügungen hinzugeben. Mögliche Seeleneinkehr hindert allerdings der durchdringende Flötenton, der gleich einem Veto auch Johann Sebastian Bachs e-Moll-Sonate BWV 1034 kaum zu klangsinnlicher Wirkung kommen lässt. Viele Nebengeräusche, wohl hervorgerufen durch eine nicht gleichmäßig schwingende Luftsäule, stören die Willigkeit zu innerer Inbrunst. Selbige ist in den schnellen, schier atemverschleißenden Allegri ohnehin nicht zu erwarten. In den langsamen Sätzen verhindert es der wenig geschmeidig Atemstrom durch die Blasröhre. Auch hier dient die Orgel nur zur Continuo-Begleitung, der sich Andreas Zacher mit hingetupften Akkordzutaten in gedämpften Farben hingibt. In der Mehrfach-Bearbeitung des Schübler-Chorals „Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter“ BWV 650 bevorzugt er einen flötenstimmigen Orgeldiskant, während die Flöte keine neuen Erkenntnisse und Klangerlebnisse liefert. Irgendwie harmonieren beide Instrumente in barocken Gefilden nicht miteinander – schließlich sind es ja auch nur Menschen. Diese zeigen in ihren solistischen Beiträgen, was in ihnen steckt. Auch bei Bachs Präludium und Fuge a-Moll BWV 543 ließe sich erneut fragen: wo bleibt die Meditation? Über einem lang ausgehaltenen Pedalton entwickelt sich virtuoses Laufwerk im scharf getönten Diskant, das in der Fuge eine strahlende, freudige, glanzvolle Fortsetzung erfährt. Auch vom kontrapunktischen Können Mozarts in der f-Moll-Fantasie KV 608 fühlt sich Zacher herausgefordert. Er lässt ihre eine überaus dramatisch akzentuierte Ausdeutung angedeihen. Die Ausschnitte aus „Acht Stücke für Solo-Flöte“ von Paul Hindemith (1895-1963), im Altarraum vorgetragen, erweisen sich als kurze und kurzweilige Piecen, die Birgitta Winkler etwas unruhigen Tons bläst. Nach offenem Raumklang verlangt gleichfalls Gisbert Näthers Meditation für Flöte und Orgel op. 71, die ihrem Titel (und dem Motto der Kapellenkonzertstunde) alle Ehre macht. Ein getragener Gestus herrscht vor. Beide Instrumente fügen sich dabei aufs Beste zusammen: die Flöte mit ihrem eindringlichen Espressivo, die Orgel mit clusterreichen, an Messiaen erinnernden Klangbildungen. Ein aufhorchenswertes Bekenntnis des tonsetzerischen Zeitgenossen, der sich über den anhaltenden Beifall der zahlreich erschienenen Hörgemeinde freuen kann. Peter Buske Nächstes Klein-Glienicker Kapellenkonzert am 20. 2., 16 Uhr, mit dem Duo Sarasate aus Hamburg.

Peter Buske

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