Kultur: Freunde
Drei Highligen in der Waschhaus Arena
Stand:
Es braucht nur eine kleine Aufforderung von Dirk Zöllner. Er hebt die Hände auf Brusthöhe, macht mit beiden eine öffnende Geste ins Publikum und sagt unvermittelt: „Jetzt Ihr mal“. Es dauert ein paar Sekunden, bis die Menge begreift. Aber dann schallt es am vergangenen Samstagabend in der Waschhaus Arena inbrünstig zum Refrain von „Heiligenschein aus Phosphor“. Die Hymnen und Hits der Wendezeit, die Dirk Zöllner, André Herzberg und Dirk Michaelis in ihren Bands „Karussell“, „Zöllner“ und „Pankow“ mit dem Potsdamer Publikum verbinden, berühren die Zuhörer immer noch spürbar. Wenn Michaelis als erste Zugabe „Als ich fortging“ singt, sich selbst am Piano begleitend, singt er den Song jedoch nicht als Erinnerung an alte Zeiten, sondern als Widmung für einen kranken Kollegen. Hits wie „Langeweile“ haben auf eine außenstehende Zuhörerin, aufgewachsen im Westen, wohl nicht die gleiche Wirkung, wie auf diejenigen, die stehend mitsingen. Aber mit den schmissigen Zeilen von „Wir sind alle Verkäufer, aber wenn du nichts zu verkaufen hast, haut das Leben nicht hin“ oder dem lange beklatschten Kiefernblues von Herzberg „ Ich bin eine Kiefer im märkischen Land, und ich kann nicht abhauen aus dem Sand. Ich muss mich an mir selbst hochziehen“ ist es leichter, sich auch emotional mitreißen zu lassen.
Vor zehn Jahren waren die Drei Highligen, sonst als Solokünstler oder mit ihren Bands unterwegs, das letze Mal zusammen auf Tournee gegangen. André Herzberg in Hut und Jackett mit dickem Orden auf der Brust, Zöllner mit wehender graublonder Mähne und Michaelis ganz in glattem Schwarz. Ohne Band stehen sie an diesem Abend auf der Bühne, nur begleitet von einem weiteren Bassisten. Schlagzeug? Brauchen die drei nicht, solange das Publikum klatschen kann und sie selber stampfen. Zwei bis drei Mal hilft Michaelis auf dem Cajón aus, auch die Trompete in „Nie Mehr“ singt er selbst. Ob a capella oder mit drei Gitarren – es fehlt nichts auf der Bühne. Sie posen, schlackern mit den Knien und spielen sich gegenseitig die Töne zu. Man merkt: Hier spielen drei zusammen, die sich gut kennen, die zusammen Spaß haben und die sich nicht immer allzu ernst nehmen.
Riffs und Akkorde werden extraschwer angeschlagen, Pausen länger ausgedehnt, große Gesten werden begleitet von großem Grinsen. Heitere Belustigung zum Mitsingen rockt die ersten Hälfte des Konzerts, in der zweiten wird es ernster. Einige neue Stücke wie „Babel“ und das Liebeslied „Seelenverwandt“ werden vorgetragen. Da ist nichts mehr von Selbstbelustigung zu spüren, wenn Herzberg singt, nein schreit: „Die Welt hängt zusammen... die Welt ist verbunden... wir teilen unsere Wunden“. Das Publikum belohnt sie: „André! Hau rein!“ ruft Einer hinten links. Nach der Pause sitzt er hinten rechts.
Solche Rufe werden auf der Bühne mit Vergnügen aufgegriffen. Und einer will dem nächsten mehr Ehre erweisen. Mit ausgestreckten Armen leitet Zöllner den Applaus an Michaelis und der wieder an Herzberg weiter. Durch Nostalgie, Heiterkeit und Ernsthaftigkeit führen sie ihre Zuhörer und wissen genau, was das Publikum von ihnen erwartet. Sie enttäuschen nicht. Auch musikalisch nicht. Am Ende mimen die drei Highligen die drei Affen, die nichts sehen, hören und nichts sagen.
„Wir kommen 2011 wieder her, wenn Ihr wieder da seid“, trällert Dirk Michaelis am Ende der letzten Zugabe, dem schmissigen Tangostück „Die Nacht ist mein Feind“ in die rhythmisch klatschende Menge. Das Versprechen, sich in zehn Jahren wieder auf der Bühne zu versammeln, war wohl der einzige Weg für die drei Sänger, nach fast drei Stunden von der Bühne des Waschhauses wieder hinabsteigen zu dürfen. Undine Zimmer
, ine Zimmer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: