Kultur: Friedlich, bedrohlich, behäbig
Bernd Krenkels digitale „Wasser“-Fotografien im Alten Rathaus
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Die Nordsee droht mit Sturm, Deiche werden geschlossen und Warnungen ausgesprochen. In Zeiten, in denen das Wasser als Urgewalt wieder über die Zivilisation hereinzubrechen droht, bietet das Alte Rathaus mit „Wasser“ eine Ausstellung zu einem beängstigend aktuellen Thema. Doch weniger die Bedrohung ist es, die Bernd Krenkel mit seinen digitalen Fotografien thematisiert.
Silbern schimmert die Wasseroberfläche des einen Bildes, schwarz werden die gekräuselten Wellen bei einem anderen, bedrohlich fast, möglicherweise tatsächlich einen Sturm erwartend. Friedlich dagegen liegen wie rundbehäbige Bewegungen die Wasserdellen bei einem anderem Bild, wo sie durch matte Lichtreflexe eine fast quecksilbrige Farbigkeit gelangen, durchzogen von kleinen schwarzen Punkten, die wie Ausrufezeichen die Wasserlandschaft interpunktieren.
Bernd Krenkel stellt im Alten Rathaus die Serie „Wasser“ aus, digitale Fotografien, über deren Gefühlsgehalt immer eine kühle Distanzierungsbrise weht, die durch die Technik hervorgerufen sein mag. Sie sind in Reihen gehängt, nach Farbigkeiten geordnet, und es ist, als würde man unterschiedliche Temperamente eines zugrunde liegenden Charakters betrachten – Varianten von Stimmungen, die von friedvollem Einklang mit der Welt genauso zeugen wie von dem Aufbäumen gegen das Schicksal.
Bisher kennt man Bernd Krenkel als Maler und Zeichner, der mit seiner Brocken-Serie bewiesen hat, wie sehr er sich auf ein Thema einzulassen und ihm unterschiedliche Eindrücke abzuverlangen vermag. „Selbst die einfachste Wahrnehmung ist in ihrer Totalität unbeschreibbar“, schrieb Susan Sontag, und Bernd Krenkel hat dieses Zitat als Motto für seine Wasserbilder gewählt. Kaum meint man, einen Eindruck zu „haben“, verlässt er uns schon wieder, weil sich der Wind gedreht oder die Sonne verdunkelt hat – Stimmungen, Intuitionen sind es, die aus seinen Bildern sprechen – aber auch Traditionen. Im goldenen Licht erstrahlt das Wasser in der im Hauptraum gehängten Reihe. Und war nicht golden auch einmal ein Zeitalter, eine Utopie, als man dachte, die Welt ließe sich durch das Beherrschen der Meere erobern und verstehen?
Assoziationen sind es, die der 1953 in Döbeln geborene Maler, Zeichner und nun auch Fotograf im Betrachter hervorruft, er stellt eine Angriffsfläche für die fantasiebegabte Vorstellung zur Verfügung. Grün, blau, golden und auch in ganz kleinen Formaten rot schimmert das Wasser des Schlänitzsees, den Bernd Krenkel in Marquardt in unmittelbarer Nachbarschaft so scharfsichtig beobachtet hat. Die rote Serie ist auf Postkartenformat wie ein liebevoller Abgesang auf die romantische Tradition im Flur gehängt – Feuer und Wasser in friedlicher Vereinigung, Glut, Sehnsucht, Gefühl – eine Serie, die nichts mit den Ansichtskartensonnenuntergängen gemein hat und sie doch augenzwinkernd als Subtext transportiert. Nicht nur die Farbe ändert sich in den einzelnen Aufnahmen, die nie einen Uferstreifen zeigen, sondern das Zoom auf die Details der Wasseroberfläche richten, so dass ein Eindringen in die Substanz dieses Elements möglich scheint. Und doch ist auch das immer nur ein Augenblick, der im nächsten Moment schon nicht mehr vorhanden ist. Stets ist die Bewegung zu erkennen, die beständige Transformation des Seienden, und wer mag, kann diese Arbeiten auch als philosophischen Kommentar lesen. Die Ausstellung wird von einem sehr feinen, kleinen Katalog begleitet.
Ganz am Rande hängt ein Gemälde: aus Krenkels „Brocken“-Serie. Auch hier erkennt man das geduldige Eindringen in die Tiefendimension der Natur, die Nadelbäume ragen wie Skelette beige über dem karstig rotbraunen Grund – gemeinsam mit dem Aufruf des Potsdamer Kunstvereins rufen sie auf zur Spende: Damit die Stadt Potsdam in die Lage versetzt wird, dieses Bild ankaufen zu können. Ohne Anklage wird hier beklagt und eine pragmatische Lösung für eine nicht mehr vorhandene Ankaufspolitik gesucht. Das ist zwar auch ein Weg, aber sicher kein Ausweg.
Zu sehen bis zum 2. Dezember, Di bis So von 10 bis 18 Uhr.
Lore Bardens
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