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Kultur: Frohe musikalische Botschaften und nüchterne Worte

Weihnachtskonzert von Campus Cantabile und der Sinfonietta Potsdam im Nikolaisaal

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Erstmals fand das Weihnachtskonzert von Chor und Orchester der Universität Potsdam in Gegenwart der neuen Präsidentin Prof. Sabine Kunst statt. Beim letzten Konzert, zum Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart, passte alles zusammen: Musik und Text, Dramaturgie und Harmonie. Diesmal gab es überwiegend Stückwerk aus Werken von Henry Purcell, Benjamin Britten und John Rutter sowie eine Lesung von Thekla Carola Wied mit ziemlich disparaten weihnachtlichen Texten.

Natürlich muss in Rechnung gestellt werden, dass Campus Cantabile und Sinfonietta Potsdam gerade das War Requiem von Benjamin Britten erarbeiten, das im Sommer vollständig aufgeführt werden soll. Einige Kostproben zeugten vom großen Engagement der universitären Klangkörper und ihres Leiters Kristian Commichau für dieses ehrgeizige Projekt. Zahlreiche Dissonanzen, teilweise in sehr hohen Lagen, und vertrackte Polyphonien bestimmen Brittens exzentrisches Bekenntnis-Werk. Dass der tonsicher und strahlend singende Chor diesen Anforderungen gewachsen ist, zeichnete sich nach dem Kyrie, Sanctus, Pleni sunt coeli bereits ab. Solistische Verstärkung lieferten die Sopranistin Julia Meinecke mit glockenreiner Stimme und der junge Tenor Jan Proporowitz mit edlem Timbre. Den Knabensopran sang Moritz Commichau. Mit seinen Geschwistern Henrike und Pinkas war er auch in Brittens Nikolaus-Kantate zu hören, aus der der erste und der siebte Teil erklangen. Auf die „Geburt von Nikolaus“ in fröhlich wiegenden Rhythmen folgte die makabre Wundergeschichte der „Three pickled boys“. Dumpfe Paukenschläge und messerscharfe Streicherschwünge geben der Moritat von den zu Hackfleisch verarbeiteten Jungs beredten Ausdruck. Doch zum Glück erweckt der Heilige Nikolaus sie wieder zum Leben - Allelujah! Chorgesang in bester englischer Tradition bietet der zeitgenössische Komponist John Rutter. Sein „Shepherd“s Pipe Carol“ verbreitete mit lebendigem Wechselgesang, glitzernden Violinen und anmutigen Oboen viel heitere Vorfreude. Ins Zentrum der Weihnachtsbotschaft führte die alte Weise „Es ist ein Ros entsprungen“ in vier interessanten Chorvarianten. Auf die altbekannte Version von Michael Praetorius, folgte eine im Brahms-Stil vom Heinrich von Herzogenberg, dann die sensible Fassung von Hugo Distler sowie abschließend eine esoterisch schwebende, moderne Variante von Jan Sandström.

Ein Kontrastprogramm boten die von Thekla Carola Wied ausgewählten Texte. Die Schauspielerin gestand freimütig ein, dass sie ihre Mühe damit habe, die Nachrichten aus aller Welt mit der Weihnachtsbotschaft zu verbinden. Anti-Weihnachtstöne aller Art, Notlagen und Notklagen bestimmten denn auch die Lesungen von Theodor Storm, Wolfgang Borchert bis hin zu George Taboris absurder Antiweihnachtsgeschichte. Auch wie Siegfried Lenz in seiner Nachkriegserzählung die Gräuel der Wehrmacht auf ein pittoreskes „Risiko für Weihnachtsmänner“ reduziert, ist heute schwer verdaulich.

Als effektvolles Bühnenstückchen entpuppt sich die kuriose Story von Nesselgrün, dem Schauspieler, der aus sentimentalen Gründen Weihnachten im August feiern will und dabei der Schauspielkunst huldigt. Weihnachten ist da nur ein Vorwand. Hier kann Frau Wied aus sich herausgehen und mit wechselnden Stimmen Temperament und Sprechkunst zeigen. Die beiden bekannten Weihnachtsgedichte von Storm und Eichendorff trägt Frau Wied indes so herb-energisch vor, als ob jegliches Weihnachtsgefühl als Illusion entlarvt werden müsste. Doch derartige Zweifel konnten nicht die Wirkung der wohligen Klänge von Sinfonietta Potsdam und Campus Cantabile überdecken. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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