Kultur: Frühaufsteher
Alexis Gideon und Shelley Short im Kuze
Stand:
Diese Zeit war selbst für einen Sonntag ungewöhnlich. Und es hätte nicht viel gefehlt und man hätte sich in Erklärungsnot ob des verpassten Konzerts gebracht. Denn nicht wie üblicherweise um 20 Uhr, sondern bereits 17.30 Uhr sollten Alexis Gideon aus den USA und Shelley Short aus Kanada im Studentischen Kulturzentrum Kuze spielen. Entsprechend machte sich da Skepsis breit, ob so das entsprechende Publikumsinteresse geweckt werden könnte.
Schlussendlich kam nur ein gutes Dutzend Neugierige in den Genuss der exzellenten und sehr puren Folkstimme von Shelley Short, die sich für ihre melancholischen und sehr zerbrechlich wirkenden Songs selbst auf der Gitarre begleitete, partiell unterstützt vom Künstlerkollegen Alexis Gideon, der den Arrangements mit Hilfe seiner E-Gitarre, Loops und anderer technischer Effekte etwas Verspieltes, manchmal auch Kantiges und Schräges gab. Die beiden spielten oft jeden Griff sehr deutlich aus, klopften ihre Instrumente oder reizten die hohen Töne bis an ihre Grenzen. Sie zeigten ein wenig von dem Improvisationstalent, das den zweiten Teil des Abends bestimmen würde, für den Alexis Gideon, dessen Kunst auch als Avant-Pop bezeichnet wird, einen einstündigen, auf der aus dem 16. Jahrhundert stammenden chinesischen Erzählung „Journey to the West“ basierenden Film mitgebracht hatte. Wer sich vor dem Konzert ein wenig informiert hatte über das Programm des Künstlers, konnte nicht anders, als neugierig sein. Von einem animierten Film, untermalt mit HipHop Beats war die Rede. Wie würde das wohl aussehen?
Ähnlich wie ein Filmlivekonzert. Das einstündige Videoprojekt, das aus drei Teilen bestand, animiert und musikalisiert unter anderem von Alexis und Shelley, wurde vom Künstler direkt auf der Bühne in Szene gesetzt. Die Geschichte eines Affengottes und eines Heiligen, deren Schicksale miteinander verbunden sind, ist eine dramatische Reise in die chinesische Mystik, die in Kontrast gesetzt wurde nicht nur durch naives und gleichzeitig sehr kunstvoll Gezeichnetes, sondern auch durch traditionelle chinesische Musik, die gemischt wurde mit harten HipHop Beats, Soundinstallationen, Verzerrern, Verstärkern und dem surreal anmutenden Sprechgesang von Alexis Gideon, der das auf der Leinwand animierte Geschehen in Sprache umwandelte. Nicht alles konnte sich dem Betrachter sofort erschließen, auch der englischen Untertitel wegen. Doch ein Eindruck der märchenhaft anmutenden buddhistischen Religion blieb trotzdem und auch die Tatsache, dass man mitgefiebert hatte mit Tipitaka, dem Heiligen, der auf dem Weg ins Nirvana zahlreiche Gefahren bestehen musste. Und was blieb, trotz des ungewöhnlich frühen Beginns dieses Konzerts ist auch das Gefühl, etwas Außergewöhnliches gesehen und wieder einmal das weite Feld der Kreativität gespürt zu haben. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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