zum Hauptinhalt

Kultur: Fugenfest

Konzert mit Organist Jörg Walther in Erlöserkirche

Stand:

Wahre Werte und innere Schönheiten offenbaren sich mitunter erst auf den zweiten Blick. Wie beispielsweise in Dietrich Buxtehudes Präludium e-Moll, das sich als eine Zusammenstellung von drei gewichtigen Fugen entpuppt, die durch Zwischenspiele miteinander verbunden sind. Jörg Walther, Jungorganist und für ein Jahr einst bei Friedrich Meinel das liturgische Orgelspiel erlernend, stellte das Opus an den Beginn seines Orgelsommer-Konzerts am Mittwoch in der Erlöserkirche. Zuvor erläutert er den Hörern in verständlichen Worten die einzelnen Werke, die er passend für die Klangmöglichkeiten der Schuke-Orgel ausgewählt hatte.

Zunächst also Buxtehude. Die erste Fuge seines e-Moll-Präludiums verbreitet sich glanzvoll und erhaben. Ein helles, kleinfüßiges Soloregister in der Diskantstimme sorgt für Fugen-Kitt, mit dem die zweite der ersten verbunden wird. Jene schreitet gemächlich einher, wird aber leicht und locker von Jörg Walther artikuliert. Nach erneutem Bindemitteleinsatz folgt „attacca“ die dritte Fuge, die sich zügig und akzentuiert auf ihren kontrapunktischen Weg begibt.

Dann der Sprung in die Moderne, die sich im Falle des französischen Avantgardisten Jéhan Alain (1911-1940) und zwei seiner vorgestellten Werke an der Vergangenheit orientiert, speziell der gregorianischen Gesänge. Ihre Schlichtheit bestimmt den „Dorischen Choral“, wobei das Pedal in dunklen Farben geheimnisvolle Bilder aus fernen Zeiten beschwört. Langsam löst sich die Bindung an Vergangenes, führt eine zarte Flötenstimme in Gegenwärtiges. Dissonanzen bestimmen dagegen die 2. Fantaisie, oszillierend zwischen himmlisch-zarten Betrachtungen und irdischer, motorisch angetriebener Zerrissenheit voller schneidender Schärfe. Mit einem indischen Raga-Thema bricht sich fernöstliche Gelassenheit erlösende Bahn.

Im Mittelpunkt der einstündigen Orgelsoiree steht allerdings Johann Sebastian Bach mit seiner Passacaglia und Fuge c-Moll BWV 582, die unter den gestaltungsstarken Händen und Füßen von Jörg Walther ihre ganze Schönheit und Monumentalität offenbart. Erhaben erklingt das markante, achttaktige Thema im Pedal, das in zwanzig Variationen die mannigfaltigsten Veränderungen erfährt. Und zwar mit der Strahlkraft der Prinzipalregister. Festen Schritts und Blicks durchschreitet Jörg Walther das kontrapunktische Areal in all seinen Windungen – mit lebendiger Strenge in konsequent durchgehaltenem Metrum. Ein unaufhörliches Fließen ist’s, was begeistert, eine organisch fortschreitende Entwicklung, bei der fast unmerklich charaktervolle Soloregister hinzutreten. In der Choralbearbeitung „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“ BWV 684 ist’s das markante, die menschliche Stimme imirtierende „Vox humana“-Register. Bachs fantasiereiche Kombinationsgaben finden in Jörg Walther einen wahrlich adäquaten Sachwalter.

Eine atonale Variante einer Passacaglia steuert Jan Welmers bei, deren schrill- geräuschhafte Aufgeregtheiten, Ton-für-Ton-Nadelstiche und voluminösen Klangflächen voller gläsern-kühler Ausstrahlung ihre Wirkung nicht verfehlen. Dann versöhnt Felix Mendelssohns f-Moll-Sonate op. 65 Nr. 1 wieder Herz und Sinne. Bachs Größe und Gradlinigkeit ist allenthalben zu spüren, umhüllt von liedhafter, romantischer Sanftmut. Walther weiß per Manualwechsel dynamisch zu differenzieren und den Finalsatz im vollen Orgelwerk und in virtuoser Manier glanzvoll aufrauschen zu lassen.

Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })