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Slammer mit Zylinder. Der Berliner Maik Martschinkowsky war schon öfter beim Havelslam zu erleben.

© Havelslam

Ein Jahr Havelslam im Waschhaus: Fünf Minuten müssen reichen

Der Havelslam im Waschhaus feiert am heutigen Mittwoch sein einjähriges Jubiläum.

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Poetry Slam – das ist nicht nur eine Bühne, auf der Nachwuchsautoren ihre Gedichte lesen. Es geht um mehr: nämlich die Gunst des Publikums. Nur mit einem Text und einem Mikrofon soll es überzeugt werden, und zwar nicht als literarische Kritiker, sondern ganz auf den Effekt konzentriert. Dabei kann so ziemlich alles passieren: Gedichte, Raps, Kabarett – fünf Minuten gibt es normalerweise für die Präsentation. Gefällt das auf der Bühne, gibt es Applaus, wenn nicht Nun ja, Poetry Slam ist Popkultur im besten Sinne, vielleicht gerade, weil dabei Kreativität mit Unterhaltung und einem Wettkampfcharakter kombiniert wird.

Auch in Potsdam gibt es eine Bühne für Poetry Slam, die gerade ihr einjähriges Bestehen feiert: Jeden dritten Mittwoch im Monat ist der Havelslam im Waschhaus. Zwar gibt es auch die Lesebühnen „Texte im Untergrund“ im Nil-Klub sowie die „PotShow“ im Spartacus, die vormals auch ein Slam war. Aber ein Slam gehorcht eigenen Regeln: Im Gegensatz zur Lesebühne ist der Slam ein Wettstreit, auf dem sich Lyriker, Kabarettisten und eben auch Lesebühnen-Autoren finden.

„Die Idee mit einem Poetry Slam hatte ich schon im September 2012, als ich hier anfing“, sagt Tobias Marten, verantwortlich für die Veranstaltungsplanung im Waschhaus. „Ich wollte mehr Literatur ins Waschhaus bringen, und zwar abseits von Buchpräsentationen.“ Zusammen mit Melina Perez, die an der Potsdamer Fachhochschule Kulturarbeit studiert und selbst als Slammerin unterwegs ist, begann er ein Konzept zu entwickeln. Perez selbst musste nach den ersten Slams aus dem Programm aussteigen, weil sie einen Job in Berlin bekam. Aber die Shows liefen gut an, immerhin sind die einzelnen Slammer auch untereinander gut vernetzt, oft sind sie europaweit auf Tour, auch die Veranstalter kennen sich untereinander.

Beim Havelslam sind zwei Moderatoren aus der Slam-Szene fest mit im Boot: Temye Tesfu ist zweifacher deutschsprachiger Vizemeister im Poetry Slam und Dozent für kreatives Schreiben und Textperformance, ihm zur Seite steht Robin Isenberg, gerade 18 Jahre alt, aber schon mit einigen Jahren Bühnenerfahrung. „Ich finde, dass wir einen sehr guten Slam haben“, sagt Marten. „Ich kenne viele Autoren und Lesebühnen, und wir haben hier im Waschhaus eine sehr hohe Qualität.“ Im vergangenen September war die britische Slam-Meisterin Stephanie Dogfoot zum Havelslam, aber auch deutschsprachige Slammer aus der Schweiz, Österreich und Italien kommen regelmäßig in die Schiffbauergasse. Ob Marten sich vorstellen kann, verstärkt internationalen Slammern eine Bühne zu geben? „Klar, wir würden auch französischsprachige Slammer nehmen, aber die Kontakte gehen mehr in den englischsprachigen Raum.“ Die meisten Texte werden jedoch ohnehin auf Deutsch vorgetragen.

Das Schöne an einem Poetry Slam sei, dass man nie vorher weiß, was man bekommt. „Der Slam steht und fällt mit den Künstlern“, so Marten. „Wenn man Pech hat, ist nur ein Künstler dabei, der einem richtig gefällt.“ Oder man könne sich gar nicht entscheiden. Dafür hat man aber auch Vertreter aus dem Publikum: Zu Beginn des Slams wird eine Jury bestimmt, die aus vier Leuten besteht und stellvertretend für die Anwesenden Punkte von 1 bis 10 vergibt. Der Wettstreit besteht aus zwei Runden, damit jedem Slammer zwei Texte bleiben, mit denen er um das Publikum buhlt. Am Ende steht dann das Finale an, in dem die zwei Besten gegeneinander antreten. Im Finale entscheidet allein das Publikum mit der Applausmethode.

Und was winkt dem Gewinner? „Bei uns gibt es keinen Wanderpokal, sondern als Preis erhält der Gewinner einen Beutel voller Sachen, die im Publikum eingesammelt werden.“ Typisch Slam ist das nicht, sondern eine Belohnung, die es nur im Waschhaus gibt. Der Inhalt wird dann auf der Bühne ausgepackt. „In der Tüte sind dann Sachen drin, da fragt man sich: Was haben Menschen eigentlich alles bei sich? Von banal bis zu man-glaubt-es-nicht“, sagt Marten. Meistens kommen jedoch Taschentücher, Pfandflaschen, Überraschungseierfiguren oder Kondome zusammen. Allerdings scheinen manche der Besucher absichtlich verrückte Sachen in ihre Taschen zu füllen.

Am heutigen Mittwoch, an dem gleichzeitig die Geburtstagsparty des Havelslam gefeiert wird, ist der amtierende Deutsche Meister Jan Philipp Zymny mit dabei, der unter anderem durch Radio Fritz bekannt wurde. Außerdem gibt es den Reim-Routinier Frank Klötgen auf der Bühne, der auf tagesspiegel.de das Stadtkindblog betreibt, und Ken Yamamoto von der Berliner Lesebühne „Spree vom Weizen“. Musikalische Unterstützung gibt es von der Zweimannband Das Lumpenpack, die sich aus zwei Poetry-Slammern rekrutiert.

Natürlich kann man auch einfach mitmachen: Die Anmeldung ist unkompliziert, entweder man schreibt eine Mail ans Waschhaus, nominiert sich selbst über die Facebook-Seite oder trägt sich vor der Vorstellung in eine Liste ein. Ein Potsdamer nimmt regelmäßig teil: Der Jesko nennt er sich und stand schon mehrmals im Finale. Ab und zu trauen sich auch andere, aber nur wenige kamen bisher wieder. „Die Schwelle, einen guten Text liefern zu müssen, ist schon relativ hoch“, sagt Marten.

Havelslam am heutigen Mittwoch um 20 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro.

Oliver Dietrich

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