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Kultur: Für aufgeweckte Ohren

Saisonauftakt für die Bach-Nächte in der St. Nikolaikirche mit dem Saxofonisten Ralf Benschu und Kantor Björn O. Wiede

Stand:

Langsam wandert die Melodie eines der schönsten Liebeslieder, das Johann Sebastian Bach seiner geliebten Anna Magdalena in ihr zweites Notenbüchlein geschrieben hat, durch die von flackernden Lichtern stimmungsvoll erleuchtete Nikolaikirche: „Bist du bei mir, geh“ ich mit Freuden“.

Auf dem Sopransaxophon solo angestimmt von Ralf Benschu, der gemessenen Schritts blasend durch das Kirchenschiff wandert, mit dem letzten Takt schließlich im Altarraum angekommen ist. Durchdringenden Klanges, mit einer Prise improvisierender Blaskunst ist dem melodienseligen Freudenspender, der Menschliches wie Göttliches an- und ausspricht, jeglicher Seelenkitsch ausgetrieben. Mit Behagen hört man“s, stimmt sich auf die erste jener BachNächte in St. Nikolai ein, die die Zeit bis zu den im September stattfindenden Bachtagen überbrücken hilft.

Eingeleitet wird der Saisonauftakt mit Präludium und Fuge G-Dur BWV 541, von Björn O. Wiede an der Altarorgel temporasant, in vollem Werk und in Al-fresco-Manier gespielt, den virtuosen Anspruchs des ersten Werkteils prächtig einlösend. Ebenfalls sehr lebendig, geradezu tänzerisch beschwingt enthüllt die Fuge ihre inneren Werte. Ähnlich hört sich wenig später auch Präludium und Fuge g-Moll BWV 535 an, ebenfalls einheitlich registriert und ganz auf den Mischklang der Stimmen setzend. Ein Bach für aufgeweckte Ohren, trotz später Abendstunde. Oder gerade deswegen – weil die strapazierten Sinne den Alltag hinter sich gelassen haben und endlich zum Ausruhen kommen.

In der Triosonate G-Dur BWV 530, original für Orgel oder Pedalclavichord, klingen dann beiden Instrumente nicht nur zusammen, sondern verschmelzen gleichsam zu einem einzigen. Was durch das grundtonreiche Tasteninstrument mit dem obertonreichen Blasinstrument vorzüglich gelingt. Und zwar so, dass man das Sopransaxophon als ein zusätzliches Orgelregister wahrzunehmen glaubt. In den schnellen Ecksätzen findet ein farbenreiches, lustvoll-virtuoses Spiel statt, während im Lento-Teil die Orgel zartgetöntes und leicht verhangen wirkendes Sagen hat.

Sangliches bestimmt auch die romantisch eingefärbte Wiedergabe der arrangierten Choralbearbeitung „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“, bei der das Sopransax die anführende Melodiestimme, die Orgel den kolorierenden Part übernimmt. Und auch die g-Moll-Fuge BWV 578 gibt Ralf Benschu reichlich Spielmaterial für eine improvisatorische Ausgestaltung des Soloparts.

Der „Keimzeit“-Musiker und zugleich Mitglied des Saxophonquartetts „Meier“s Clan“, der das ursprünglich jazzbeheimatete Instrument im klassischen Bereich als vollgültiges Tonwerkzeug etablieren will, nutzt die diesbezüglichen Möglichkeiten reichlich. Auch in so genannten „Zwischentonsätzen“, die der freien Improvisation breiten Raum geben. Per Altsaxophon und (Bechstein-)Flügel swingt man sich durch die Tonräume von „b-a-c-h“, wobei Aufgeregtes mit Lyrischem, Synkopiertes mit Linearem wechselt.

Nicht weniger originell die Zusammenführung der „Bist du bei mir“-Melodie (Saxophon) mit dem Choral „Ich ruf zu dir“ (Orgel) und ihrer anschließenden Verarbeitung als Passacaglia. In Varianten und verschiedenen Harmonisierungen sich vorzeigend, erfreut abschließend erneut das Bachsche Liebeslied, nunmehr in Form einer Aria: kunstvoll verschlungen, wobei jede Strophe mit Trillern, Vorschlägen und ähnlichem barocken Zierrat reich versehen ist.

Peter Buske

Nächste BachNacht am 9. Mai, 21 Uhr mitrt den potsdamer Turmbläsern

Peter Buske

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