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Kultur: Für Kunst zugelassen

Ahrends und Oeckel im Künstlerzentrum

Stand:

Spuren der alten Zulassungsstelle in der Puschkinallee sind noch zu lesen. Sonderparkgenehmigungen, Güterverkehr, Personenverkehr, Mittwochs geschlossen steht auf den Türschildern. Jetzt aber sind Künstler und Gründer in den Komplex am Pfingstberg eingezogen. An jedem letzten Sonntag des Monats wird mit einer Ausstellungseröffnung zum Offenen Atelier eingeladen.

Das Haus ist zweigeteilt in Alt- und Neubau, verbunden durch einen Gang. Der Altbau muss eine herrschaftliche Villa gewesen sein. Außen leugnet zwar Grauputz seine Zugehörigkeit zur gediegeneren Nachbarschaft. Innen jedoch, wie im Kinosaal im Erdgeschoss, wo der Publizist und Schriftsteller Martin Ahrends am Sonntagnachmittag Arbeiten für den Hörfunk präsentierte, ist der Deckenstuck in wirklich gutem Zustand. An den Wänden hängen Kopien von längeren Artikeln, die Ahrends für große Zeitungen geschrieben hat. In der Mitte ein Tisch mit seinen Buchveröffentlichungen. Gerade läuft ein einstündiges Radioessay „Lob der Hausarbeit“. Die Ehefrau ist mehrere Wochen in Kur und der Vater hat sich vorgenommen, für die sechs Kinder zu sorgen. Nach anfänglicher geglückter Rollenidentifikation merkt er schnell, dass er Wäschewaschen hasst und er eine „emotionale Verausgabung“ spürt. Mama, hilf! Ist Respekt gegenüber dem Vater, so fragt sich der Verzweifelte, nur eine geregelte Form von Liebe?

Ahrends Arbeiten kennzeichnen zwei große Themen, die sich aus seiner Biographie ergeben. Zum einen ist das seine Großfamilie, in die er sich mit intelligenten Reflektionen als Vater, Ernährer und Beschützer um Einordnung bemüht. Zum anderen ist das die Beschäftigung mit der deutsch-deutschen Gesellschaft. Ahrends verließ die DDR und Potsdam aus politischen Gründen 1984, um nach der Wende heimzukehren. Aus dieser Perspektive kann er über den „Geist von Potsdam“ nachdenken. Er gab der von Christian Brückner für den SFB eingespielten Radioarbeit den Titel. Nicht in der preußischen Tradition wäre dieser Geist zu finden, sondern eher in den unangepassten Großfamilien wie den Müllers, die ein offenes und tolerantes Haus am Heiligen See pflegten. Damit zeigt Martin Ahrends die Fähigkeit, auf die kleinen Strukturen zu schauen, die oft mehr über das wirkliche Leben sagen als große Begriffe. Ahrends erspart sich selbst in seinen Arbeiten nichts. Fehler und Unzulänglichkeiten werden mit Härte aufgeführt. Ehrlichkeit gegenüber sich selbst ist für Ahrends Grundlage für sein Schreiben. Manchmal auch Selbstzerfleischung.

Am anderen Ende des Ganges liegt der helle Ausstellungsraum des Gebäudes, in dem Erica Oeckel ihre Bilder ausstellt. Vor fünfundzwanzig Jahren muss die Lebenslust über Oeckel gekommen sein. Ihre Künstlerseele verließ den Körper einer Sekretärin und kleidete sich bunt. Und im Geist explodierten Farbtöpfe. Bunt die Figurencollagen, bunt Oeckels roter Haarschopf, bunt wie ein Comic der Seidenwurf über den Schultern, als die Künstlerin dem Publikum erklärt, warum der Delfin ihr so wichtig ist. Ein Brandzeichen in Flipperform wurde von der Künstlerin über einem Brenner zum Glühen gebracht und dann dampfend auf eines ihrer Tafelbilder gedrückt. Der zutrauliche Meeressäuger als Symbol für Lebenslust und Freundlichkeit. Die Vernissage wurde für kurze Zeit zum lustigen Happening: „Ein Geheimnis“, so verrät Oeckel, „mein Atelier hier im Haus wird auch Delfin heißen.“ Ihre ausgestellten Kompositionen zeigen schwarzweiße Figuren. Die allerdings vor buntem Hintergrund. Auf horizontloser roter, grüner oder gelber Fläche sitzen, kauern oder stehen Nackte. Frauen ohne Gesicht und Kleidung, mit schnellem Pinsel hingesetzt. Ob sie miteinander reden? Es liegt im sonnigbunten Gemüt von Erica Oeckel anzunehmen, dass man sich entspannt und fröhlich gibt. In Buntheit, nackig und frei. Ein paradiesisches Ideal. Reine müßige Weiblichkeit, kein Mann in Sicht. Matthias Hassenpflug

Zu sehen bis 19. März, Di-Do 10-16, Fr-So 11-18 Uhr, Puschkinallee 16.

Matthias Hassenpflug

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