Kultur: Fusion verschiedener Stile
Potsdamer JazzFestival: DePhazz aus Heidelberg in der Schinkelhalle
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Die Musik inhalieren – das will nicht nur das Publikum, sondern auch der Frontmann von DePhazz: mit einem Handtuch überm Kopf steht er auf der Bühne, beugt sich über das Mikro, lässt Töne erklingen und nimmt sie in sich auf. Am Freitag präsentierte die Heidelberger Band im Rahmen des Potsdamer Jazz Festivals ihr nun schon 7. Album „Days of Twang“ in der Schinkelhalle. Für die musikalische Grundlage sorgen die Tonkünstler um Pit Baumgartner, der hinter den Reglern steht. Zu fünft betreten sie die spärlich beleuchtete Bühne, versetzen die Schinkelhalle in eine Sphäre aus Samples, gepaart mit leichten Grooves aus Schlagzeug, Bass und Gitarre, umspielt von einem Saxophon.
Wie ein Brautpaar im champagnerfarbenen Dress schreiten nun die Frontstimmen von DePhazz auf die Bühne und lassen sie erstrahlen. Schon optisch ein Genuss. Pat Appletons und Karl Friersons starke Stimmen setzen sich auf den Bandsound. Nach und nach kann auch das Publikum in die sphärischen Klänge eintauchen, sich ihnen hingeben und abwechselnd die klaren Stimmen der deutsch-liberianischen Sängerin und ihrem amerikanischen Bühnenpartner genießen. Mit Leichtigkeit springen die beiden zwischen den Tonhöhen. Blaue Scheinwerfer wandern durch das bunt gemischte Publikum. Die ersten Töne der Klangkünstler erinnern an gute Barmusik. Eigentlich fehlen nur die Cocktails und ein gemütlicher Barhocker. Eher mühsam kommen die Zuhörer in Schwung. Doch nach einer kurzen Aufwärmphase wird das Jackett ausgezogen, das Hemd gelockert. Die Soulstimme beweist auch Rockqualitäten. Langsam klappt die Kommunikation mit dem Publikum, nicht zuletzt durch die flirtenden Blicke der attraktiven Sängerin und dem Showmastertalent von Frierson.
DePhazz sind im Gegensatz zu den anderen Künstlern des Jazzfestivals keine eigentliche Jazzband. Vielmehr macht sie einen Sound aus, der sich im Jazz bedient, mit futuristischen Klängen vermischt wird und eine Fusion mit vielen verschiedenen Stilen eingeht. So steht der Bandname auch für DEstination PHuture jAZZ. Dass sie aber irgendwie doch eine Jazzband sind, daran lässt sich beim Blick auf das Handwerk der Musiker, vor allem bei überzeugenden Solopassagen des Saxophonisten und Flötisten Otto Engelhardt, kaum zweifeln.
Immer wieder machen sie sich in ihrem Live-Programm neue Musikstile zu eigen. Angefangen bei Loungeklängen mit Dub-Einflüssen über schwarzen Pop à la Lionel Richie, Acid-Jazz, Funkgrooves im Motown-Stil und Latin-Rhythmen – alles wird im „DePhazz-Style“ geboten und soundtechnisch vor allem durch die Effekt- und Samplearbeit von DePhazz-Gründer Pit Baumgartner zusammengehalten. Gerade die Songs des neuen Albums „Days Of Twang“ fallen stilistisch auf: Hier gibt man klassischem Country und Rock“n“Roll ein neues Gewand. Ein Cowboyhut, das ein oder andere „Yieehaa!“ und vertraut klingende Gitarrenläufe lassen live ein wenig Rodeo-Feeling aufkommen, ohne den Bezug zum Sound der älteren Alben zu verlieren. Und zum Schluss die bekanntesten Songs: „The Mambo Craze“, den vermutlich jeder Radiohörer kennt und „Jim The Jinn“, der zum Hollywood-Film „The Truth About Charlie“ beigesteuert wurde. Dank dieser Songs wurde DePhazz, wie Sänger Karl Frierson meint, „weltweit berühmt – ohne Scheiß!“ Doch um nicht überheblich zu wirken, sammelt er Sympathiepunkte, in dem er bestärkt: „Aber wer braucht schon Hollywood, wenn man Potsdam hat.“
Roman Soike
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