Kultur: Ganz eigene Sprache Musikfestspiele: Lieder aus europäischen Salons
Kann man auf Holländisch singen ? Diese Frage wurde ernsthaft bereits im 17.
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Kann man auf Holländisch singen ? Diese Frage wurde ernsthaft bereits im 17. Jahrhundert in Holland diskutiert. Ähnlich wie das Deutsche erschien auch die germanische Nachbarsprache aufgrund ihrer Knack- und Zischlaute nicht besonders zum Singen prädestiniert zu sein. Dass es trotzdem geht und sehr gut sogar, bewies der niederländische Tenor Nico von der Meel beim Liederabend im Palmensaal im Rahmen der Potsdamer Musikfestspiele. Gemeinsam mit dem Amsterdamer Klavierduo präsentierte er ein Programm mit Musik von holländischen Komponisten. Die zweite Frage lautet: Wer kann den Namen von einem holländischen Komponisten nennen ? Nicht nur einer, sondern gleich zehn Komponisten überzeugten davon, dass Holland viel mehr außer Tulpen, Käse und Grachten zu bieten hat. Der Abend stand im Zeichen lyrischer Kunstlieder mit Klavierbegleitung, als einer der bedeutendsten Musikformen des 19. Jahrhunderts. Unter dem starken Einfluss deutscher Musik und Lyrik studierten damals viele holländische Komponisten in Leipzig und Dresden, stimuliert von den wiederentdeckten Bachwerken und den sublimen Klängen Mendelssohns und Liszts. International orientiert, wie die Holländer schon immer waren, vertonten ihre Komponisten nicht nur Gedichte ihres Landmanns Jan Pieter Heie, sondern ebenso von Hoffmann von Fallersleben, Heinrich Heine oder von Paul Bourget. Gesungen wurde in der jeweiligen Landessprache, wobei im 19. Jahrhundert das Deutsche überwog. Die von Nico van der Meel vorgestellten Lieder zeigten viele Facetten von romantischen und spätromantischen Klängen bis hin zu frühimpressionistischen Reminiszenzen, wobei ein paneuropäischer Zusammenklang auffiel. Vielseitig changierten die Kompositionen der Brüder Gerrit und Johannes van Euken zwischen empfindsamer Schlichtheit („Drei Lieder op. 6), elegischem Sehnsuchtston, meditativem Gebet ( „Fünf Lieder op. 30“) und phantastisch-bizarrer Abgründigkeit („Drei Lieder op. 7“). Eine eindrucksvoller Miniatur synästhetischer Kunstsymbiose war im dem Lied „Sie saß am Rebenfenster“ zu erleben, wo die Sprache als solche und die sprachlichen Bilder mit den rankenden, ausgreifenden Tonketten der Musik eine innige Verbindung eingingen. Raritäten sind auch die Liedkompositionen von Johannes Verhulst, die vergleichsweise schwer, wagnerianisch, monolithisch, kompakt wirkten. Das Meilied („Mailied“) erklang als offene Frage nach dem Leid in der Lust, „Der Ring“ und „Abschied“ bedachten Ehebande und Endlichkeit des Daseins. Vom Sänger ward viel gefordert und viel gegeben. Nico van der Meel leichter, klarer Tenor ist fast etwas glanzlos, ungemein schlicht, aber er bestach mit reinem, edlem Ton und sehr kultivierter Stimmführung. Text und Gesang durchdrangen einander in intelligentem Zusammenspiel von Stimme, Klang und Sprache. Viele Musikinstrumente kamen aus England und Frankreich nach Holland. Wie etwa der Hammerflügel von Erard aus dem Jahr 1837 mit seinem trockenen, festen Klang, am dem das Amsterdamer Klavierduo einzeln und gemeinsam spielte. Wyneke Jordans und Leo van Doeselaar, die kürzlich das 25-jährige Bestehen ihrer musikalischen Partnerschaft feiern konnten, erwiesen sich nicht nur als perfekte Liedbegleiter. Mit zwei Werken für vier Hände begeisterten sie die Zuhörer. Besonders George Wittes temperamentvolle Walzer sprachen eine ganz eigene Sprache, bodenständig und graziös, irdisch und aufrecht, wie bunt-wogende Tulpenfelder im holländischen Frühling. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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