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Kultur: Ganz in Familie

Michael Ranz und Edgar May mit ihrem neuen Programm im Kabarett Obelisk

Stand:

Von dem Gebot „Iss wenigstens das Fleisch!“ bis zum Lob der allerbesten Mutti isses nun wirklich nicht weit. Fast nahtlos schließt das neue Programm des Kabarett-Duos „ranzundmay“ an seinen Vorgänger an. Nicht ganz ernst gemeint, aber irgendwie dann doch, behaupten sie mit fast überspitzer Zunge im Obelisk: „Mutti ist die Allerbest(i)e“.

Das „i“ in Klammern erweist sich dabei ganz gezielt als Trennwand zwischen Tradition und Fortschritt: Hier die Übermutter als mental-kulinarische Rundumversorgerin der Familie, da die Frau, die Muttersöhnchen macht und sich in alles einmischt - der altbewährte Schwiegermutterschreck.

Michael Ranz und Edgar May geben sich diesmal also „ganz in Familie“, wozu die scheinbaren Privatissima der Darsteller genauso gehören wie die vielen, oft in Contrafraktur gegebenen Songs fremder Feder, von Heintjes „Maamaa“ bis zu Kreislers „Mein Weib will mich verlassen“ Na wunderbar! Zu dieser Sippe zählt das Duo aber auch ein paar Ableger, die liebe Verwandtschaft (damals noch „West“) oder die Großfamilie der Mafia, wovon Michael Ranz in einer Super-Nummer Zeugnis gibt.

Formal hielt man sich im bewährten Rahmen, gespielte Songs und Monologe, ein paar kesse Überleitungen, viel Publikumskontakt, Jacke aus, Jacke an, Binder ab, Binder zu. Ab und zu, wie das in guten Familien eben üblich ist.

Aber die gibt es ja offenbar nicht mehr, man hörte nur von häuslichen Schlachtfeldern und Sippenfledderei, nicht allein in Bayern, auch die 16-jährige Tochter Ranzens macht dem Star-Solisten (Edgar May gelegentlich im Gespräch, sonst gut am E-Piano) per Handy gleich am Anfang sehr zu schaffen; schade, dass man diesen Faden nicht wieder aufgenommen hat. Seine eigene Familie sei gespalten, verriet er dem gutbesuchten Saal, einerseits der Arzt-Clan, andererseits der Hartz-Clan, das paßt nicht unter ein Dach, zumal die „vielgeliebte Super-Oma“ sowieso schon Lunte roch, sie versteckt ihr Geld jetzt nicht mehr in der Keksdose!

Über solche und andere familiäre Kleinigkeiten kann man lästern, „die meisten Verbrechen passieren sowieso im Haushalt“. Auch über die Fähigkeit der Frauen, auf LKW-Parkplätzen immer richtig einzuparken, oder dass Mütter stets „ausbaden“ müssen, was grobe Väter (falls zur Hand) an dem Kindchen verbeuteln. Sie argumentiert sanft, wenn das Gör den Föhn in die Wanne hält, der Alte aber brüllt dann nur herum und reißt es roh aus dem Gewässer.

Nein, darum geht es hier nicht. Wichtiger ist der subversive Grundgestus, die angekündigte und eingelöste Provokation, welche dem Publikum jede Verweigerungshaltung verweigert. Man möchte angesichts der vorgezeigten Finsternisse ja gern etwas dagegensetzen. Es geht einfach nicht! So bleibt einem nichts anderes als mitzulachen, auch wenn es wehe tut. Auch da, wo Ranz die uranistische Sicht auf Ehe und Familie zeigt: Kinder bei einer Lieferzeit von neun Monaten selber machen? Und wenn sie einem dann runterfallen? Man kriegt sie ja nicht mal umgetauscht...

Weg und Ziel dieses vielbewegten wie vielbeklatschten Programms sind also identisch. Politik fehlt ganz, was nicht Satire ist, gehört zum Humor der makabren Sorte. Intelligenz und Unterhaltungswert fallen in eines. Und noch eine Tugend ist zu vermelden: Anders als ihre aufgeklärten Kollegen landauf, landab, vermeiden die beiden Kabarettisten alle Argumentation.

Sie „setzen“ einfach: Friss oder stirb! Den Preis dafür zahlte Ranz sogleich: Ach Maama, niemand im Saal wollte seine „Wahlmutti“ sein.Gerold Paul

Nächste Vorstellung am 14. und 15. 10. jeweils 19. 30 Uhr

Gerold PaulD

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