Kultur: Gedankenschwere Leichtigkeit
Das Finsterbusch-Trio zum Auftakt der „Stunde der Musik“ im Nikolaisaal
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Das Finsterbusch-Trio zum Auftakt der „Stunde der Musik“ im Nikolaisaal Alles Ansichtssache. Dem einen weckt ein sonniger Spätsommernachmittag die leichtfüßigsten Frühlingsgefühle, dem anderen scheint der Herbst schon zu sehr sichtbar und er gibt sich lieber schweren Gedanken hin. Das Finsterbusch-Trio, bestehend aus Mitgliedern der Kammerakademie Potsdam, hatte am Sonntagnachmittag zur Eröffnung der Reihe „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals für beide Geschmäcker Passendes parat. Das Programmheft brav in den Händen sitzt erwartungsvoll ein überwiegend älteres Publikum im kühlen Foyer und wartet auf die Künstler. Die werfen kurzerhand die Planung über den Haufen und beginnen mit dem Teil, der eigentlich nach der Pause kommen sollte. Mit Benjamin Britten und Alfred Schnittke also das Schwergewichtige zum Anfang. Fast verhalten, wie Christoph Bachmann die ersten Takt von Brittens Phantasy op.2 aus seinem Cello marschieren lässt. Dann Andreas Finsterbuschs Violine und Christoph Starkes Viola, die dieses Thema aufgreifen, das Martine Värnik mit der Oboe weitertreibt. Britten fordert Konzentration von Musiker und Publikum, lässt die drei Sätze nahtlos ineinander übergehen. Das anfangs auf dem Cello so zarte Wesen wird im Allegro giusto aggressiv, stampft trotzig seinen Marsch, gibt sich nur gelegentlich harmonisch, um dann, entkräftet fast, am Ende wieder auf dem Cello zu verklingen. Schnittkes Trio für Violine, Viola und Violoncello gibt sich am Anfang noch versöhnlich, romantisch fast im Auftakt. Doch es dauert nicht lange, dann überwiegt Schnittkes Vorliebe für das Vermischen unterschiedlichster musikalischer Elemente. Ein kompositorischen Tohuwabohu, so scheint es manchmal, dem doch nie die strenge Ordnung fehlt. Mit dem Adagio folgt dann einer der Höhepunkte dieses Konzerts. Reduziert ist hier die Themenwahl, baut das Finsterbusch-Trio langsam eine Spannung auf, die nur schwer zu ertragen, gleichzeitig doch durch das differenzierte Spiel der Musiker bis ins Detail zu genießen ist. Nach der Pause folgen Wolfgang Amadeus Mozart und Jean Sibelius und sofort war der Stimmungswechsel nicht nur hörbar. In seinem Streichtrio KV 404a Nr. 5 nimmt sich Mozart den großen Bach vor. Das wohltemperierte Klavier als Vorlage, zaubert Mozart eine Leichtfüßigkeit in die Bachschen Fuge, der sich auch das Finsterbusch-Trio nicht entziehen kann. Fast ausgelassen arbeiten sie auf ihren Stühlen. Mit den vier Sätzen aus Jean Sibelius Suite A-Dur für Streichtrio verfahren sie ähnlich munter und mancher im Publikum lächelt selig. Zum Abschluss kommt dann auch Martine Värnik wieder auf die Bühne: Mozarts Oboenquartett, 1781 geschrieben für den Virtuosen Friedrich Ramm. Martine Värnik im besten Einklang mit dem Finsterbusch-Trio, leichteste Spielfreude in drei Sätzen. Selbst im kühlen Foyerschatten des Nikolaisaals haben Spätsommernachmittage ihren Reiz. Dirk Becker
Dirk Becker
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