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Kultur: Gedankentief

Orgelsommer-Konzert mit Friedrich Meinel

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Er hat sie gedanklich mitgezeugt, die Schuke-Orgel in der Erlöserkirche. Er kennt sie von Geburt an, begleitete ihre Entwicklung zur reifen Dame königlichen Geblüts klangformend mit. Kein Geheimnis konnte sie vor ihm verbergen. Die Rede ist von Friedrich Meinel, Doyen der brandenburgischen Kirchenmusik und seit fünfzig Jahren im Dienste der Musica sacra im Gotteshaus an der Nansenstraße. Das jüngste Orgelsommerkonzert war beste Gelegenheit, ihn durch sich selbst ehren zu lassen. Wie bislang kein Organist in dieser Orgelsommer-Saison verstand er es, die Werke seines Programms, das 300 Jahre Musikgeschichte durchschritt, der überaus zahlreich erschienenen Hörergemeinde ausführlich und verständlich zu erläutern.

Auf der Orgelbank platznehmend, hat sein Spiel nichts von ursprünglicher Frische verloren. Hinzugewonnen hat es jedoch an Gedankentiefe, gestalterischer Reife und einer fröhlich-weisen Sicht auf die Dinge des Lebens und der Kunst. Der Junggebliebene überraschte sogleich mit einer beschwingten Lesart von Dietrich Buxtehudes F-Dur-Toccata. Glanzvoll und strahlend ihr Beginn, der einen farbenreich und abwechslungsreich registrierten Fortgang fand. Die einzelnen Abschnitte waren wirkungs- und sinnvoll voneinander abgesetzt. Manch originelle Registermixtur, beispielsweise Trompete mit Vox humana, machte die Ohren spitzen. Kurzum: ein leichter und lebendiger, schön verspielter Einstieg. Ihm folgte Buxtehudes Choralbearbeitung über „Nun bitten wir den Heiligen Geist“, gespielt im Hinterwerk mit näselnden Zungenstimmen und starkem Tremulanten.

Die zwanzig Variationen der Joh. Seb. Bachschen c-Moll-Passacaglia BWV 582 breitete Friedrich Meinel in Erhabenheit und prinzipal- und flötenstimmenreicher Registrierung aus. Sehr lobenswert, wie er in fast jeder Verwandlung das Thema wie hinter einem kontrapunktischen Vorhang hervorlugen ließ. Langsam steigerte sich die Klangfülle zu jener Pracht, mit der die Orgeldisposition aufwarten kann. Was ansonsten einem Sakrileg glich: hier löste spontaner Beifall die innere Ergriffenheit eines jeden Hörers ob dieser beeindruckenden Wiedergabe. Die folgende Choralbearbeitung über „Allein Gott in der Höh“ BWV 662, ganz aufs Verinnerlichte gerichtet, war schlicht gespielt, mit Trillern, Vorhalten und Koloraturen verzierungsreich ausstaffiert.

Strukturklares Spiel bestimmte gleichfalls die kraftvolle, unverschwommene Deutung des a-Moll-Chorals von Caesar Franck, wobei schneidende Schärfe immer wieder mit Schwellereien kontrastierte. Schlank, klangherb, fast spröde – so war möglicher Kuschelromantik jeder Zutritt verwehrt. Was auch für Max Regers Introduktion und Passacaglia f-Moll op. 63 Nr. 5 und 6 galt. Erstere kam in ihrer klangklaren Chromatik sehr direkt daher, letztere sozusagen in einem Hybridklang aus schwellendem Hinterwerk, prinzipalbestimmter Monumentalität und Leichtigkeit. Meinels souveräner Umgang mit Stimmen, Stimmungen und Mixturen erfuhr seine Krönung mit zwei Stücken des Avantgardisten Olivier Messiaen. In inbrünstiger Versenkung ertönte in Diskantlage „Majestät Christi, der seine Verherrlichung vom Vater erbittet“ aus „Die Himmelfahrt“ (1934), stark tremulierend die dissonanzenreichen Freudenbekundungen des „Gott unter uns“ aus „Die Geburt des Herrn“ (1935), wobei Messiaens finale toccatische Ausdeutung des Lukas-Textes 1, 46-47 „Meine Seele erhebt den Herrn“ in Friedrich Meinels brillantem Spiel ihre strahlende Erfüllung fand. Mit stehendem Beifall wurde ihm gedankt.Peter Buske

Peter Buske

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