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Kultur: Gedenken

Musik zur Sterbestunde in der Friedenskirche

Stand:

„Sie nahmen ihn aber, und er trug sein“Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, welche heißt auf hebräisch Golgatha. Allda kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber mitten inne.“ Kurz und sachlich beschreibt der Evangelist Johannes die Hinrichtung des Königs der Juden. Dieses Augenblickes zu gedenken, hat sich die Friedensgemeinde auch am Karfreitag 2006 angenommen. Bester Besuch wie seit Jahren, und wieder trat das gesprochene Wort vor einem sehr ambitionierten Musikprogramm leider zurück.

Von Tobias Berndt an der Orgel begleitet, stellte sich der Potsdamer „coro campanile“ (Leitung Matthias Jacob) auf der Empore ganz in den Dienst des schmerzhaften, anteilnehmenden Eingedenkens mit dem Kreuzestod Jesu. Fraglich allerdings, ob die dargebotene Literatur vom reformationszeitlichen Johann Hermann Schein (1586-1630) bis zum spätromantischen Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) wirklich günstig gewählt worden war, denn diese Stunde hatte außerdem noch Bach, Monteverdi, Brahms, Byrd und Mozart zu bieten. So unterschiedliche Handschriften fügte selbst ein solcher Anlass nur schwerlich zusammen. Ein Stil, ein Gedanke, eine Zeit – wäre das nicht die Alternative fürs nächste Mal?

Klaus Büstrin las mit ernster Bestimmtheit und hervorragender Pausierung neben dem Johannes-Evangelium auch Texte von Walter Jens, um Leiden, Angst und mutmaßliche Gottverlassenheit des zu Kreuzigenden ins Bewusstsein der Hörer zu führen. Wenn Jens Mensch gegen Gott, Jesu „Vernunft“ gegen den unvermeidlichen Tod setzt, aber der wortzunehmenden Not-Wendigkeit so wenig gedenkt wie der Kreuzigung als „Erfüllung der Schrift“, so hat er vielleicht ein wenig unterhalb dieses großen Mysteriums reflektiert, dessen Ziel die Auferstehung und das ewigeLeben ist.

Gewissheit, Hoffnung – davon war in den beiden wunderbar klaren und kraftvoll interpretierten Madrigalen zu fünf Stimmen und Generalbass aus dem „Israelbrünnlein 1623“ von Schein viel zu spüren. Durch ein geschlossenes Klangbild überzeugte der Chorus in Mozarts „Kyrie eleison“ (KV 90), weniger bei Monteverdis Auszug aus der „Messa a 4 voci da Cappella“ und William Byrds „Ave verum corpus. Orgelsoli hörte man von Bach und Brahms und Rheinberger, gleichwohl dessen allzu langer Passionsgesang (op. 46) am Ende der Andacht vielleicht schon jenseits der vollen Aufmerksamkeit lag.

Ganz Botschaft waren die von Klaus Büstrin so hervorragend deklamierte Verse aus dem Gedicht von Paul Gerhardt „O Haupt voll Blut und Wunden“, worin es voller Reue heißt: „Ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast“. Gerold Paul

Gerold Paul

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