Kultur: Gedichte-Zelt
Lyrisch: „Bildet Banden“ auf dem Bassinplatz
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Im schwarzen Zelt auf dem Bassinplatz: Zwei kleine Mädchen stehen mittendrin im Publikum und wiegen sich zum Takt der Musik. Vorn, auf der Bühne, die vier von Bildet Banden. Sänger Sebastian Günther Birr flüstert gerade etwas von Abschied, von Schmerz und von Nutten. Dann zählt der Schlagzeuger ein und ein Polka-Punk-Mix löst die Spannung. Jetzt wird mitgeklatscht und gesungen.
Wer am Samstagabend den Weg in die Zeltstadt auf dem Bassinplatz gefunden hatte, den nahm die Stimme Birrs gefangen. Von lapsig und lakonisch bis flüsternd und eindringlich spielte Birr mit Sprache und Musik – so dass ihm sogar die Kinder zuhörten. Im ersten Teil des Konzertes gab es eigene Kompositionen und Coverversionen, im zweiten dann vertonte Gedichte des DDR-Kultautors Thomas Brasch.
Wie die Brasch-Lyrik zur Musik kam, das ist eine längere Geschichte: Mit fünfzehn Jahren begann Birr eigene Texte zu schreiben. Später entwickelte sich in Zusammenarbeit mit dem Weimarer Jazz-Pianisten Jan Marek daraus ein Chanson-Projekt. Als die Texte nicht mehr reichten, begab sich Birr in Richtung Lyrik und vertonte zunächst Tucholsky Gedichte. Mit Thomas Brasch kam Birr in einer Lesung im Hans Otto Theater in Berührung. Braschs Gedichte und schauspielerisches Talent begeisterten Birr. Er setzte den nach dem Tod des Dichters (2001) erschienenen Gedichtband „Wer durch mein Leben will, muss durch mein Zimmer“ musikalisch um. Nachdem Pianist Jan Marek nach Australien ging, suchte sich Birr Musiker und gründete im Mai diesen Jahres Bildet Banden. Den Namen Bildet Banden, eigentlich eine Parole der Linken Szene, interpretiert Sebastian Günther Birr als Aufruf zu gemeinsamen Aktivitäten.
Die vier Musiker in Rockbesetzung am Samstagabend waren so eine Aktivität. Zwar entwickelte Birr die Harmonien zu den Gedichten lieber allein, doch steuerte jeder der vier seinen Teil dazu bei: Das Schlagzeug, dem mit einem Geigenbogen ungewöhnliche Töne entlockt wurden, sorgte in Verbindung mit Birrs Dialog mit dem Publikum für eine entspannte Atmosphäre. In die Zugabe platzte dann leider die Polizei hinein, weil sich Anwohner über den Krach beschwert hatten. So spielten Bildet Banden eben leise weiter, der Atmosphäre tat das keinen Abbruch.P. Rothmann
P. Rothmann
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