Kultur: Gegen den Mythos Liebe
Menasse und Etxebarria bei der 3. Literaturnacht
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Menasse und Etxebarria bei der 3. Literaturnacht Auf die einleitende Bemerkung des Moderators, Robert Menasse sei als bedeutendster österreichischer Schriftsteller der mittleren Generation bezeichnet worden, antwortete der Autor: „Das ist wie wenn man sagen würde, ich sei der beste Skifahrer aus dem Tschad.“ Die Lesung von Robert Menasse war einer der Höhepunkte der 3. Potsdamer Literaturnacht am Neuen Palais. Vor zwei Jahren gründeten Studierende der Universität Potsdam den Literaturnacht e.V. mit dem Ziel, junge Literatur zu unterstützen, und ein Forum für internationale Literatur zu bieten. So lasen am frühen Abend Potsdamer und Berliner Poetry Slam Autoren. Anschließend stellten Katharina Berger (geb. 1973 in Ost-Berlin), Jasmin Hermann (geb. 1973 in Siegen) und Thomas Weiss (geb. 1964 in Stuttgart) ihre neuesten noch unveröffentlichten Arbeiten vor. Alle drei sind Stipendiaten des Literarischen Colloquiums Berlin. Als Robert Menasse zu lesen begann, war es draußen bereits dunkel geworden. Der gedrängt volle Saal der Mensa dämmrig, nur vorne das Podium und hinten der Barbereich und die Büchertische erleuchtet. Der Innenhof, auf den eine Fensterfront hinausgeht, war in buntes Scheinwerferlicht getaucht. Ein schöner Ort. Robert Menasse, der 1988 seinen hochgelobten Debütroman veröffentlichte, las aus dem Erzählband „Ich kann jeder sagen“, der bald bei Suhrkamp erscheinen wird. Er las in dem langsamen österreichischen Tonfall, der Ironie und Witz so herrlich zu steigern im Stande ist. Seine Ich-Erzähler brachen aus dem geregelten Leben aus, um nun mit der Gespielin Exzesse nach Terminkalender zu vereinbaren oder rezensierten ein Buch, das bereits verramscht wurde. Das von Tobias Kraft, dem 2. Vorsitzenden des Literaturnacht e.V., geführte anschließende Gespräch kam leider nicht so richtig in Schwung. Die aus der Internetrecherche gespeisten Fragen konnten dem Autor nichts wesentliches Entlocken. Zu erfahren war jedoch, dass bald sein Theaterstück „Das Paradies der Ungeliebten“ im Wiener Burgtheater uraufgeführt wird, eine „Farce der Demokratiedämmerung“. Ganz anders das Gespräch mit der in Spanien umstrittenen Erfolgsautorin Lucía Etxebarria, das Albrecht Buschmann moderierte und übersetzte. Die Spanierin, voller Unruhe und Temperament, äußerte sich interessant und ausführlich. Zunächst eine kurze spanisch-deutsche Lesung aus ihrem dritten und jüngsten Roman: „Von allem Sichtbaren und Unsichtbaren“ (2003). Dann erzählte die 1966 im Baskenland geborene Schriftstellerin über ihre zentralen Themen, mit denen sie in der machistischen Heimat aneckt: Die Anfeindungen gegenüber Frauen, die Erfolg haben und in die Öffentlichkeit treten, die problematische oder gar nicht mehr stattfindende Kommunikation zwischen den Menschen und der Mythos von einer Liebe, die leidenschaftlich ist und in der sich zwei Menschen harmonisch ergänzen. An die 5000 Briefe habe sie nach Erscheinen des Romans „Von allem Sichtbaren und Unsichtbaren“ erhalten. In dem Roman beschreibt sie das Zerstörerische in einer Liebesbeziehung, in der die Partner in dem anderen das suchen, was sie selbst nicht haben. Die Briefe bestätigten diese Sicht. Es sei ein in der westlichen Kultur relativ neuer, männlich dominierter Fehler, sagte Lucía Extebarria, eine Liebesbeziehung mit Leidenschaft und harmonischer Ergänzung in Verbindung bringen zu wollen. Und gegen diesen Mythos schreibe sie an. Nach Mitternacht klang die Nacht der Lesungen aus mit Gedichten des deutsch-spanischen Lyrikers José F.A. Oliver, begleitet vom Flamenco-Gitarristen Niño de Pantaleón. Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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