Kultur: Gegenwartskunst und barocke Pracht
Zu „Thesenverbrämt“ vom 6. April, „Stadt ohne Mitte“ vom 27.
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Zu „Thesenverbrämt“ vom 6. April, „Stadt ohne Mitte“ vom 27. März, „Starke Bürger oder starker Staat?“ vom 20. April
Die PNN sind zurzeit Forum einer lebhaften Diskussion über die Bedeutung der Modernen Kunst für Potsdam. Das ist gut! Denn eine Stadt, die nur ihre barocke Pracht feiern würde, wäre ein lebendes Museum. Ausgelöst wurde die Diskussion durch einen Beitrag von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeld in der Ausgabe vom 27.3.2013. Es ist auch gut, dass sich jetzt die kommunalpolitisch Verantwortliche, Iris Jana Magdowski, die Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport der Landeshauptstadt, zu Wort meldet.
Ihr Beitrag hat die Überschrift „Starke Bürger oder starker Staat?“ Dies als Gegensatz zu formulieren, ist wohl schon ein Teil des Problems. Möglichst viele kulturell engagierte Bürgerinnen und Bürger und eine Kommune, die sich starkmacht für eine lebendige Kunstszene, beides gehört unabdingbar zusammen, wie zwei Seiten einer Medaille.
Golke und Neufeld haben mit ihrer Feststellung recht, dass es „in Potsdam viel verstreutes Engagement für Kultur gibt. Ein Kunststandort aber ist Potsdam bisher nicht, weil es im zentralen Bereich der Bildenden Kunst Almosen verteilt, statt Standards zu setzen.“ Frau Magdowski bezeichnet diese These als „kühn“. Denn immerhin seien es die Potsdamer Bürger, die eine politische Vertretung gewählt haben, die entscheidet, welche Institutionen welche Zuwendungen erhalten. Will die Beigeordnete damit ausdrücken, dass die Bürger nach einer Wahl der politischen Vertretung den Mund zu halten haben, weil die Abgeordneten jetzt das Sagen haben?
Der Hinweis von Frau Magdowski, dass die Kulturförderung „seit 2010 um mehr als zwölf Prozent erhöht worden ist und 2013/14 eine weitere Erhöhung ansteht“, wirft mehr Fragen auf, als er Klarheit schafft: Auf welcher Basis sind die Erhöhungen erfolgt? Wie hoch ist der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt und wie hat sich dieser Anteil in den letzten Jahren verändert? Wo sind die harten Zahlen und Fakten, die nachvollziehbar beurteilen lassen, welchen Platz Potsdam im Vergleich der Kulturausgaben mit anderen Landeshauptstädten oder vergleichbaren Großstädten einnimmt?
In ihrem Beitrag wirft Frau Magdowski erneut die Frage auf, ob sich die Kunstvereine in Potsdam nicht zusammenschließen sollten. Worin die inhaltlichen Vorteile bestehen könnten, dafür bleibt sie allerdings auch die Antwort schuldig. Fusionen sind weder für Unternehmen, öffentliche Verwaltungen oder Kunstvereine ein Selbstzweck. Für das halbe Dutzend kommerzielle Galerien in Potsdam wäre es auch keine brauchbare Empfehlung, sich zusammenzuschließen. Warum sollten dies die Kunstvereine tun? Im Gegenteil: Insbesondere im kulturellen Bereich trägt die Vielfalt unterschiedlicher Konzepte zur Lebendigkeit der Szene bei. Richtig ist, dass dazu das Potsdam Museum in den letzten Jahren beigetragen hat. Es entwickelte sich zu einer wichtigen Institution auch im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Die Funktion einer Kunsthalle, so wie sie von Gohlke/Neufeld beschrieben wird, kann das Potsdam Museum allerdings nicht erfüllen.
Andersherum ist es richtig: Kunsthalle, Kunstvereine, Kunstmuseen nehmen ganz verschiedene Ausstellungs- und Vermittlungsaufgaben war. Auf der ganzen Welt beneidet man uns um diese vielfältige Landschaft, zu der auch Vereine gehören, die nicht von der Politik leichtfertig in einen Schmelztiegel geworfen werden sollten. Und wenn die Beigeordnete erwähnt, die Idee zu ihrem Fusionswunsch sei ihr im Vergleich mit ihren ehemaligen Wirkungsort Stuttgart gekommen, hätte sie wissen sollen, dass Stuttgart und seine Vorstädte eine ganze Handvoll von Kunstvereinen und Kommunalgalerien hat. Eine Fusion hat dort niemand empfohlen. Allerdings fließt deutlich mehr Geld in die Vereine als in Potsdam.
Seit etwa drei Jahren gibt es einen „Neuen Kunstkalender“ für Potsdam. Darin werden die Ausstellungen und anderen Aktivitäten von 18 Institutionen der Bildenden Kunst aktuell im Internet sowie vierteljährlich in einem Flyer (mit Unterstützung der Stadt) und in zweimal wöchentlich erscheinenden PNN-Anzeigen „vermarktet“. Außerdem gibt es in einer Medienpartnerschaft mit den PNN vierteljährlich eine Sonderseite zur Gegenwartskunst. Alle zwei Jahre findet, 2013 zum fünften Mal, in Regie des Berufsverbandes der Künstler die „Art Brandenburg“ statt. Kunstvereine, Galerien und öffentliche sowie private Museen bieten für die Potsdamer und ihre Gäste ein vielfältiges Spektrum der Bildenden Kunst. Diese positive Entwicklung ist insbesondere Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die sich ehrenamtlich engagieren. Deren Kraft ist allerdings begrenzt.
Deshalb haben Gohlke und Neufeld recht: „Potsdam braucht einen Masterplan, der sich der lokalen Chancen und Potenziale bewusst ist und Stärken gezielt fördert. Potsdam muss heute seine Zukunft als Kunst- und Wissensstadt entwickeln, indem es Chancen entwickelt und ausbaut.“ Die Diskussion für diesen Masterplan in Schwung zu bringen, wäre maßgebliche Aufgabe der Beigeordneten für Kultur.
Werner Ruhnke, Galerist
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