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Wenn Musiker auf Fußball machen. Jan Böttcher (l.) und Peter Rainer von der Kammerakademie Potsdam zeigen, was sie unter „Fairplay“ verstehen.

©  KAP

Kultur: Geigerslautern gegen Turbobass

Die Kammerakademie Potsdam lud zu „1:0 für Mozart“ in die „Nikolaiarena“

Stand:

„Der 1. FC Geigerslautern verteidigt gut, lässt den Ball in den eigenen Reihen laufen. Kapitän Peter Rainer, mit der Nummer 13 auf dem Rücken, schnappt sich das runde Leder und treibt den Ball in Richtung des gegnerischen Strafraums. Auf der rechten Seite ist Oboist Jan Böttcher mitgelaufen. Rainer zu Böttcher. Böttcher am Ball. Er schießt und Tor! Im 117. Takt trifft unsere Nummer 9, Jan Böttcher, zum 1:0!“, kommentierte Stadionsprecher Daniel Finkernagel. Die Euphorie auf den Rängen ist fast nicht zu stoppen. Die Fans des 1. FC Geigerslautern lassen ihrer Freude über die Führung freien Lauf. Einzig aus den Rängen der Turbobass-Potsdam-Anhänger sind einige „Buh“-Rufe zu vernehmen.

Die Stimmung im Stadion war gut. Auch wenn das Stadion den Namen „Nikolaiarena“ trägt und eigentlich der Nikolaisaal ist, waren die Fanmengen in ihrer Euphorie kaum zu bremsen. Am vergangenen Donnerstag verwandelte sich der Nikolaisaal in ein Fußballstadion und die Bühne in ein Fußballfeld. Unter dem Titel „1:0 für Mozart“ inszenierte die Kammerakademie Potsdam, die als Spieler der Mannschaften des 1. FC Geigerslautern und Turbobass Potsdam auf der Bühne erschienen, die Sinfonie g–Moll KV 183 von Wolfgang Amdeus Mozart einmal ganz anders, als Fußballspiel. Da mag sich einem zunächst die Frage stellen, wie das denn zusammenpassen soll, Fußball und klassische Musik? Tatsächlich war ein klein wenig Vorstellungsvermögen von Nöten, um dem Spiel, dass zwar nicht mit einem Ball, sondern mit Tönen ausgetragen wurde, zu folgen.

Schon vor dem Anpfiff heizte der Fanblock von Turbobass Potsdam, gespielt vom Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Johann Sebastian Bach, den Zuschauern richtig ein. Mit der Fußballhymne „You’ll Never Walk Alone“ ließen sie das Herz eines jeden Fußballers und jeden Fußballfans auf den Rängen höher schlagen. Leider sorgte die Stimme von Sängerin Antonia Krämer nicht gerade für die bekannte Gänsehaut, sondern versauten ihre regelmäßig schiefen Töne jedem, der etwas für diese gefühlvolle Vereinshymne des FC Liverpool übrig hat, diese auf ewig. Die bessere Sorte Gänsehaut prickelte endlich bei der Einlaufmusik der beiden Mannschaften. Mit der Filmmusik von „Fluch der Karibik“ löste das Jugendsinfonieorchester Begeisterungstürme der Zuschauer aus, wie sie Potsdams Karl-Liebknecht-Stadion wohl schon lange nicht mehr gesehen hat.

In ihren roten und blauen Trikots, die nicht ganz zu den gebügelten schwarzen Hosen und glänzend polierten schwarzen Lederschuhen passten, fühlten sich die Musiker des Kammerorchesters zunächst nicht ganz so wohl, so konnte man die Anspannung jedoch förmlich von ihnen abfallen sehen, sobald sie ihr Instrumente in die Hände nahmen. Vollkommen ausgestattet in Fußballmontur, sogar mit Töppen, also Fußballschuhen, an den Füßen, präsentierte sich Schiedrichterin und Dirigentin Judith Kubitz, die die Partie mit viel Taktgefühl leitete.

Und dann kam er, der mit Spannung erwartete Anpfiff. Mit einer Leichtfüßigkeit spielten sich die beiden Mannschaften die Klänge von Mozarts Sinfonie g-Moll zu, wie sie auch auf den Plätzen von Madrid und Barcelona zu Hause ist. Mal ruhig hin und her spielend und dann mal schneller in den gegenerischen Strafraum vorstoßend, passten die Musiker jeder Spielsituation den richtigen Rhythmus an. Viel Bewegung auf der Bühne sorgte dafür, dass der Zuschauer dem Geschehen ganz genau folgen konnte. Spielkommentator Daniel Finkernagel machte mit seinen Einwürfen und witzigen Kommentaren selbst dem bekannten Fußballkommentator Wolff Fuss Konkurrenz. Und natürlich ging es dabei auch zu wie auf einem richtigen Fußballplatz. Es wurde gefoult, es wurden gelbe Karten verteilt und, wie man es vom Männerfußball eben kennt, auch ein klein wenig gemeckert. Als im 117. Takt der 1. FC Geigerslautern durch Jan Böttcher in Führung ging, jubelte nicht nur der Geigerslauterer Fanblock, es stiegen auch die Zuschauer in die Fangesänge mit ein.

Während sich die Musiker beider Mannschaften in der Halbzeitpause von den Anstrengungen der ersten Halbzeit erholten, bot sich dem Zuschauer ein buntes Pausenprogramm. Der Film über die Mittelfeldregisseure Mozart und Haydn des Salzburger Fußballvereins war zwar durchaus unterhaltsam, dass der Sinn dahinter dem Zuschauer jedoch verborgen blieb, war den etwas ratlos aussehenden Gesichtern zu entnehmen. Jennifer Cramer vom 1. FFC Turbine Potsdam beantwortete als Expertin die Fragen, und Schülerinnen der Potsdamer Eliteschule des Sports glänzten während ihrer Balljonglage zwar nicht mit fußballerischen Höchstleistungen, aber mit Taktgefühl. In der zweiten Halbzeit verflachte zwar nicht das musikalische Spiel, aber nach dem 1:1-Ausgleich von Turbobass Potsdam geriet die Musik der Kammerakademie neben den lauten Fangesängen leider manchmal ein wenig zu sehr in den Hintergrund.

Ob Mozart beim lauten Tröten der Vuvuzelas, die heutzutage in Fußballstadien zu hören sind, die Hände vor die Ohren geschlagen hätte, wissen wir nicht. Dass seine Musik jedoch hervorragend zum Fußball passt, bewies die toll aufspielende Kammerakademie, angeführt von Kapitän Peter „Geiginho“ Rainer. So macht Mozart nicht nur Anhängern der klassischen Musik, sondern auch Fans, die meist ganz andere Töne gewohnt sind, wirklich Spaß.

Chantal Willers

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