Kultur: Geistermusik der Moderne „Zeichen des Kontakts“ in der Kirche Marquardt
Außer ein paar blaulasierten Scherben, die ab und zu im Park des Schlosses Marquard gefunden werden, existiert nichts mehr von der Blauen Grotte, in der der preußische König Friedrich Wilhelm II. an spiritistischen Sitzungen teilnahm.
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Außer ein paar blaulasierten Scherben, die ab und zu im Park des Schlosses Marquard gefunden werden, existiert nichts mehr von der Blauen Grotte, in der der preußische König Friedrich Wilhelm II. an spiritistischen Sitzungen teilnahm. Doch für manchen verströmt der Ort noch immer mystische Aura. Das magische Marquardt: Seit drei Jahren werden die „esoterischen“ Traditionen von der „Geheimen musikalischen Gesellschaft“ Weise fortgeführt, allerdings in der Dorfkirche.
„Zeichen des Kontakts“ nannte sich eine Veranstaltung unter der Federführung von Thomas Kumlehn, bei der reichlich entrückte Stimmung aufkam. Spätestens bei den elektronischen Sphärenklängen von Jeff Cloke fühlte man sich wie in einem Raumschiff, das durch ferne Galaxien reist. Oder wie in einer futuristischen Geisterwelt. Zumindest, wenn man die Augen schloss und die Ausstattung der Kirche vergaß. Zu Beginn gab die Potsdamer Schriftstellerin Christiane Schulz Kostproben aus ihrem Werk. Die 1955 in Wildau geborene Autorin las beobachtungsgenaue, sprachgewandte Gedichte voller Naturmetaphern. Sie spinnt lange Assoziationsketten und schafft weite lyrische Räume, die Grenzen versetzen und auflösen können. Anschließend präsentierte Jeff Cloke seine sphärischen Raumklänge. Eine Ansammlung mal vereinzelter, mal zusammenfallender Töne, die wie Leuchtzeichen von fernen Galaxien wirken, zufällig, fremd und unbestimmbar. Kein Beat, keine Harmonie bringt eine Struktur in diese scheinbar planlos zusammengestellten akustischen Phänomene. Ihre Besonderheit erschließt sich erst durch eine Erklärung: Das Konzept des britischen Experimentalmusikers heißt „Raumresonanz“. Dafür nimmt er akustische Erscheinungen eines Raums auf, verwandelt sie elektronisch und leitet sie dann wieder nach draußen. Konzeptkunst für die Ohren, also, kopflastig und rational. Für sein Solo in der Dorfkirche nutzte er die Geräusche, die bei der Lesung von Christiane Schulz entstanden waren, wie er anschließend erklärt. Auf diesen Zusammenhang wäre man beim bloßen Zuhören nicht gekommen.
Etwas lebendiger wirkte der dritte Teil des Abends, eine Improvisation aus Stimme, Querflöte und Elektronik. Die Schauspielerin Andrea Schöning deklamierte einige Gedichte von Christiane Schulze. Im Zusammenspiel der drei Akteure erfuhren die bereits zuvor von der Autorin gelesenen Texte spannungsreiche Interpretationen. Mit dunkelvollem Stimmklang dehnt Andrea Schöning die Worte, fragmentiert die Verse. Dazu zischelt, säuselt, flirrt und pfeift Thomas Kumlehn auf der Querflöte, während Jeff Cloke unterirdisches Wabern, Blubbern und Grummeln einbringt, wiederum aus Originalraumklängen. Die dergestalt erzeugten Klänge wirken trocken, dehnen sich zäh in Raum und Zeit. Zu Zeiten von Friedrich Wilhelm gab es diese digitaltechnische Raffinesse noch nicht. Zu fragen bleibt aber, ob die High-Tech-Version nicht bloß einen Mangel an gestalterischer Vorstellungskraft ersetzen soll. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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