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Kultur: Gelungen

Oxymoron Dance Company inszenierte Dylan Thomas

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Wenn 100 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf nur einer Bühne zeigen wollen, was sie in ihren Tanz- und Theaterkursen in den letzten Monaten an Talenten entwickelt haben, dann spricht viel für einen Text, der keiner Handlung folgt, sondern als „Spiel für Stimmen“ konzipiert ist. Darum überzeugt die Wahl der Oxymoron Dance Company, die in Zusammenarbeit mit den Theatergruppen des Offenen Kunstvereins am vergangenen Wochenende im Schirrhof Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“ inszenierte.

Das Stück, das als Hörspiel 1954 von der BBC uraufgeführt wurde – posthum, da der Dichter ein Jahr zuvor 39-jährig an Alkoholmissbrauch starb –, ist die abgründige Beschreibung eines walisischen Seehafens namens Llaregubb, dessen skurrile Bewohner der Autor wie in einer langen Wortkette, detailverliebt und abgründig, boshaft oder augenzwinkernd zum Leben erweckt, ohne erkennbare Handlung oder einen roten Faden, eher wie eine voyeuristische Fensterschau.

„Die Bauern, die Fischer, die Händler und Rentner, der Schuster, Schullehrer, Schankwirte und Briefträger“, all diese Figuren schwanken und wallen als endloser Strom auf die Bühne, verkörpert durch die hundert Tanz- und Theaterschüler. Über all dem liegt das Rauschen des Meeres und eine weibliche Stimme, die aus dem Off Dylans Text liest, der die Szenerie und ihre Figuren beschreibt.

Alles ist sehr maritim, auf der Bühne stehen eine Reuse und eine alte Holzleiter, die Hintergrundmusik bilden neben dem Rauschen des Meeres sphärische Klänge, ein Schifferklavier und, wie in einer der Anfangsszenen, Kostümierung und die Figur des Kapitän Cat. Ihm folgen andere Figuren, Mr. Beynon, der Metzger, von kruden Träumen heimgesucht und mit einem Finger im Mund, der nicht seiner ist. Mrs. Ogmore-Prichard, die ihre beiden Ehemänner tyrannisiert und sie ihre Liste unzähliger Pflichten aufzählen lässt. Tuchhändler Mog Edwards und Schneiderin Myfanwy Price, die sich täglich schmachtende Liebesbriefe schreiben.

Diese Liste an zwischenmenschlichen Absurditäten, die von Vielweiberei, dem herbeigesehnten Giftmord an der Ehefrau oder dramatischen Toden vervollständigt wird, ist halb szenisch, halb tänzerisch auf der Bühne umgesetzt. So überbringen die kleinsten der Tänzer, mit verspielten Hüpfern und bunte Tücher schwingend, die Liebesbriefe des Tuchhändlers. Oder leiten, in weißen Kleidern und wie Schaumkrönchen, die auf dem Wasser tanzen, mit weichen und ganz minimalistischen Bewegungen die nächste Szene ein.

Die Übergänge wirken überhaupt recht gekonnt. Hier wird nicht Szene an Szene geklebt, ohne Sorgfalt für die Überleitungen. Hier geben sich im Gegenteil die überwiegend in Schwarz oder Weiß gekleideten Tänzer die Situationen in die Hand, ist eine Figur so flexibel, dass sie auch in das anschließende Geschehen passt. Besonders humorvoll und geschickt funktioniert die Momentaufnahme Mr. Orgelmorgels, der jeden Morgen auf seinem Fensterbrett begnadet die Tasten drückt. Als er sich später am Radiogerät zu schaffen macht, das ihm sichtlich fremd erscheint, ertönt plötzlich laute Hip-Hop-Musik. Eine Gruppe junger Tänzer tritt auf, bestreitet ein Tanzbattle mit beeindruckenden Soloeinlagen und verbindet den Text aus den 30er-Jahren mit der Gegenwart. Das ist unterhaltsam und lockert die düstere, melancholische Stimmung auf, die durch die etwas morbiden Texte von Dylan Thomas entsteht. Die Inszenierung erfasst den Autor in seiner Fülle an ironischen und bitterbösen Tönen sehr schön. Am Ende wohlverdienter Applaus. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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