zum Hauptinhalt

Kultur: Genaues Notenlesen

Kammerakademie eröffnete ihre Schlosskonzert-Saison im Neuen Palais

Stand:

Ist das, was wir als Mozartsche „Sinfonia concertante“ Es- Dur KV 297b für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester kennen und lieben, tatsächlich echt, ein wieder aufgefundenes Werk oder gar aus fremder Feder? Also: nach des Meisters Hand klingt sie ja nun wirklich. Zu mozartisch meinen stattdessen manche Forscher, sprechen ihm rundweg die Autorenschaft ab. Trotzdem: diese Sinfonia concertante ist und bleibt ein Repertoirehit, die zum Saisonauftakt der Schlosskonzerte der Kammerakademie Potsdam musiziert wurde, einstudiert vom Barockspezialisten Bernhard Forck. Unter seiner konzertmeisterlichen Anleitung entstand insgesamt ein Musizieren voller Hingabe an den Wiener Klassiker.

Dabei ist genaues Notenlesen angesagt. In der erforderlichen Balance zwischen geschmeidiger Verspieltheit und spannender Rhetorik breitet sich die dreisätzige Vergnüglichkeit aus. Die Solisten ergänzen einander auf“s Vortrefflichste, wobei das Horn (Andreas Bohm) mitunter zur Zitterpartie wird. Im Andantino con Variazioni können dann auch die anderen Instrumente solistisch brillieren. Allen voran die ausdrucksstarke Klarinette (Matthias Simm), gefolgt von der kantileneninnigen Oboe (Jan Böttcher) – in dieser gestaltungsintensiven Konstellation lässt sich unwillkürlich an das opernähnliche Duettieren von „Sopran“ und „Tenor“ denken, dem klassischen Liebespaar der Bühne. Dazu gesellt sich das amorkecke Fagott (Christoph Knitt) – ein musiktheatralisches Vergnügen. Dazu befleißigen sich die Streicher eines dezenten Vibratos, wodurch dem Adagio jegliche Sentimentalität ausgetrieben ist.

Welcher dramaturgischen Notwendigkeit ist eigentlich der „Einfall“ entsprungen, die erste Zwischenaktmusik (Maestoso-Allegro) zu Mozarts Bühnenmusik „Thamos, König in Ägypten“ KV 345 gleich zweimal aufs Programm zu setzen? Erstmals erklingt sie zu Beginn des Konzerts, das zweite Mal bei der kompletten Wiedergabe der Schauspielmusik. Sie ist, wie alle anderen Teile auch, ein in sich geschlossenes Gebilde. Das Programmheft vergleicht sie mit den vier Sätzen einer Sinfonie. Spielt man deren ersten Satz zunächst losgelöst von den anderen und dann nochmals im eigentlichen Zusammenhang? Mit drei drohenden, geradezu aufrührerisch wirkenden und klangdüsteren, „Zauberflöten“-ähnlichen Akkorden eröffnet sie sich. Was folgt, ist ein akzentuiert und energisch gespielter Einstieg ins reichlich verworrene Geschehen des heroischen Dramas von Tobias Philipp Freiherr von Gebler. Erste Geigen con sordino, die zweiten Geigen pizzicato, dazu je zwei Oboen und Fagotte: ein Klangmix für den (Andante-)Ausdruck von Innigkeit und Zweifel. In der Dramatik des Allegro vivace assai wutschnaubt es nach allen Regeln der Affektenlehre, beben die Pulse, kocht die Rache. Zum Schluss (Tod des Bösewichts) ertönt der Aufruhr der Elemente in Gestalt einer Gewittermusik – da hat Rossini aber abgekupfert! Zum Schluss Joseph Haydns 78. Sinfonie c-Moll, die eine kontrastbetonte Wiedergabe erfährt. Zu nachsinnenden Betrachtungen ist selbst im Adagio kein Platz. Das Menuett wird als selbstbewusst auftrumpfender Tanzsatz bürgerlichen Ballvergnügens gespielt, während das Prestofinale mit vorlauten Keckereien und einem Hauch von Bärbeißigkeit quicklebendig daherkommt.Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })