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Kultur: Genüssliches Pingpong der Pointen Sinfoniekonzert

der Kammerakademie

Stand:

der Kammerakademie Wird man fündig oder nicht? Nicht nur archäologische Grabungen haben ihre Reize. Musikalische Raritäten zu Tage zu fördern, hat sich die Kammerakademie erneut auf ihre Fahnen geschrieben, als sie am Sonnabend das 9. Sinfoniekonzert der diesbezüglichen Nikolaisaal-Reihe bestreitet. Bläserkonzerte stehen auf dem Programm. Bei den Schatzgrabungen erfährt sie solistische Unterstützung durch ihren lustvoll das Fagott spielenden künstlerischen Leiter Sergio Azzolini und den nicht minder hinreißend das Horn blasenden Kroaten Radovan Vlatkovic. Seine kräftige Statur lässt nicht nur auf ein riesiges Atemvolumen schließen, sondern selbiges auch gebührend bewundern. Kein Wunder, dass die Töne absolut sicher sitzen. Sozusagen eine Art Maurice André des Horns. In Mozarts Es-Dur-Hornkonzert KV 447 bestätigt er es auf nahezu vollkommene Weise. Groß ist sein Ton, sehr brillant, fast prunkend. Wird er damit die Begleitkompanie „erschlagen“? Keine Bange, Radovan Vlatkovic weiß sich anzupassen und wenn nötig auch zurückzunehmen. Stets bleibt sein Ansatz bestechend sanft und sauber. Intonationsprobleme kennt er keine. Seine Spielfreude ist ansteckend und allen Musikern anzusehen. Samttöne hält er für die Romanze parat, kraftvolle und strahlende, geradezu jagdfröhliche für die Ecksätze. Seiner Virtuosität stehen die Akademisten in nichts nach. Vibrierend vor innerer Spannung führen sie den Dialog mit ihm. Auch Sergio Azzolini lässt sich von der begeisternden Musikalität und dem ernsthaften Gestaltungswillen von Radovan Vlatkovic mitreißen. Beide vollführen in der Sinfonia concertante F-Dur für Horn, Fagott und Orchester aus der Feder des französischen Mozartzeitgenossen Francois Devienne (1759-1803) herrliche Wechselreden voll des köstlichsten Humor. Musikalisch ist das Stück mehr oder weniger Dutzendware. Aber wie sie „verkauft“ wird! Sehr witzig, wie sich die Solisten die Pointen genüsslich zuspielen, mit gestischen und mimischen Zutaten nicht sparen. Unentwegt „meckert“ das Fagott der lyrisch angestimmten Hornmelodie hinein, bis selbiges geradezu unwirsch wird. Nicht weniger originell hört sich an, wie sich auf zephyrgleichen Klangwogen der sordinierten Streicher die Kantilenen der beiden Soloinstrumente entfalten. Diesem krönenden Abschluss setzt zuvor Sergio Azzolini mit seiner schier berstenden, des Komödiantischen nicht entbehrenden Spielmanier weitere funkelnde Glanzlichter auf. In Mozarts B-Dur-Fagottkonzert KV 191 führt er das ansonsten etwas behäbig klingende Spielgerät wie eine kehlkopfvirtuose Primadonna vor. Voller Leidenschaft brilliert er mit kecken Einwürfen und überraschenden Einfällen – ein brillanter Techniker und Erzkomödiant, der sich vor dem Orchester gleichsam wie ein Popstar bewegt. Doch er kann auch anders: im Andante singt er ein tief empfundenes Minnelied. Das Orchester zeigt dabei noble Spielkultur und – in den schnellen Sätzen – faszinierende dynamische Akzentuierungen, die manchem geradezu als schroff vorkommen mögen. Für die Mitwirkung in der bislang fast völlig unbekannten Sinfonie B-Dur mit obligatem Fagott von Michael Haydn (1737-1806), zusammengebastelt aus Handschriften der Esterhazy-Collection in Budapest, setzt er sich artig neben die Stimmführerin der Cellogruppe, Anke Hey. Dirigentische Impulse (oder Ambitionen) gehen von ihm in dieser Position nicht aus. Das Zusammenspiel dieser heiteren und graziösen Unterhaltungsmusik organisiert stattdessen selbige im Blickkontakt mit der Konzertmeisterin Yuki Kasai. Energisch und präzise wird musiziert, gleichsam auf dem Sprung. Innig singt das Fagott sein Solo im Adagio. Wie erfrischend lebendig es an diesem Abend zugehen würde, erweist sich schon in der einleitend erklingenden Ouvertüre zu Joseph Haydns Oper „L''isola disabitata“. In zügigen Tempi und straffer Artikulation, immer wieder unterbrochen von sentimentalen Einschüben, stürmt sie kraftvoll dahin. Nach zwei Stunden brandet lautstarker Jubel auf, gellen Pfiffe der Begeisterung durch das ausverkaufte Rund. Mitten im heftigsten Toben, schließlich will man sich eine Zugabe erklatschen, verabschiedet die im Umgang mit dem Amt wenig souveräne Konzertmeisterin die Musiker von der Bühne. Nicht nur diese zeigen sich darob sehr verwundert. Den Fauxpas nehmen die Solisten äußerlich gelassen hin.

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