Kultur: George Clooney und die Hexe Babajaga „Chillen & Killen“ letztmals im „Viktoriagarten“
Gut, harmonisch waren Tini Anlauff und Dirk Becker wohl nie so richtig, seitdem beide die Krimi-Lesereihe „Killen & Chillen“ vor zweieinhalb Jahren in der Buchhandlung „Viktoriagarten“ in der Brandenburger Vorstadt – ach was: fast schon in Potsdam-West – ins Leben riefen. Damit sollte am Mittwochabend nun Schluss sein: Die letzte Buchvorstellung des literarischen Duetts mit dem Wohlfühlprogramm für Kriminalisten fand statt.
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Gut, harmonisch waren Tini Anlauff und Dirk Becker wohl nie so richtig, seitdem beide die Krimi-Lesereihe „Killen & Chillen“ vor zweieinhalb Jahren in der Buchhandlung „Viktoriagarten“ in der Brandenburger Vorstadt – ach was: fast schon in Potsdam-West – ins Leben riefen. Damit sollte am Mittwochabend nun Schluss sein: Die letzte Buchvorstellung des literarischen Duetts mit dem Wohlfühlprogramm für Kriminalisten fand statt. Warum es ein Ende gab? „Wir haben das Rezept für den ultimativen Krimi gefunden“, kündigte Tini Anlauff an. „Wir haben die Idee gewinnbringend verkauft“, hielt Dirk Becker dagegen: „Ab Juli gibt es die Show dann im Internet, moderiert von George Clooney und der Hexe Babajaga.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl zum Thema Selbstreflexion etwa?
Vielleicht, doch zum Schluss gab es noch mal ordentlich Dampf mit dem ungleichen Paar aus den „verfeindeten Stadtteilen Babelsberg und Potsdam-West“: Die Potsdamer Katzenkrimi-Autorin und der „Dauerpraktikant bei der Sportseite der PNN und jetzt Experte für Flüssignahrung“ (Anlauff) zerpflückten noch einmal vier Krimis hinsichtlich ihrer Qualität – und gelangten gewohnt zu völlig unterschiedlichen Urteilen. Den Anfang machte ein Schwedenkrimi: „Der Mann, der kein Mörder war“ von Michael Hjorth und Hans Rosenfeld behandelt den ersten Fall des Kriminalpsychologen Sebastian Bergman, dem eine ganze Reihe folgen sollte – ein grausamer, aber anscheinend doch überraschender Roman, skandinavisch eben. Disput gab es über das Frauenbild des Protagonisten, für den Sex kein Grund zum gemeinsamen Frühstück zu sein scheint: „Widerlich“, meinte Anlauff, aber Becker konterte: „Wer nicht so durchreflektiert wie Frau Anlauff an Bücher geht, wird seinen Spaß haben.“
Von Skandinavien ging es nach Polen, und zwar zu Stanislaw Lem mit „Die Untersuchung“: Weg vom Klischee-Krimi, bei dem die Ermittlungen im Zentrum des Geschehens stehen, sei das Buch, in dem Leichen verschwinden und wiederauftauchen – und dem immerhin beide etwas abgewinnen konnten: „Hanebüchen, aber herrlich“, fasste Becker zusammen. „Radikal“ von Yassin Musharbash, weitaus weniger tot als Lem, spielt im heutigen Berlin – eine politische Dystopie, ein Politthriller über Terrorismus mit Bomben und Islamisten. Hier schieden sich die Geister erneut: zwischen „Küchenpsychologie“ (Becker) und „spannend“ (Anlauff). Dasselbe Spiel bei „Kind 44“ von Tom Rob Smith, ein Roman, der im stalinistischen Russland von 1953 spielt und eines gewissen Drehbuchcharakters nicht entbehrt.
Was einen guten Krimi nun ausmacht – darauf hatten die beiden Krimi-Maulhelden dann doch keine eindeutige Antwort. Spannung, klar, und eben das gewisse Etwas. Aber wie soll man das auch erwarten von zwei Streithähnen, die sich exemplarisch uneinig sind, als ob sie sich abgesprochen hätten. Aber genau das wird fehlen: dieses ungleiche Paar, das sich wie Katze und Hund auf der Bühne ausgiebig triezt und siezt. Am Ende sind beide schuld, wenn in Potsdam zukünftig weniger Krimis gekauft werden. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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