Kultur: Gereckte Faust und wildes Rotieren Enablers aus Kalifornien in der „fabrik“
Wie einen Wurm hielt sich Sänger Pete Simonelli das verkabelte Mikrofon über den Mund, bereit, es sich einzuverleiben. Und wie eine Schlange wickelte er es sich später um den Hals, während er sich dem Schlagzeuger Doug Sharin zuwendete und sich von dessen Rhythmus zu extatischem Tanzen hinreißen ließ.
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Wie einen Wurm hielt sich Sänger Pete Simonelli das verkabelte Mikrofon über den Mund, bereit, es sich einzuverleiben. Und wie eine Schlange wickelte er es sich später um den Hals, während er sich dem Schlagzeuger Doug Sharin zuwendete und sich von dessen Rhythmus zu extatischem Tanzen hinreißen ließ.
Gut, dass das Technikerteam der „fabrik“ und die Veranstalter vom Kollektiv Analog sich entschieden hatten, die aus Kalifornien stammenden Enablers am Sonntag im großen Saal spielen zu lassen. Nicht nur, dass die Bühne sonst zu klein gewesen wäre für den raumgreifenden und sehr expressiven Bewegungsdrang Pete Simonellis. Auch das Klangerlebnis der Experimentalband geriet so intensiver. Die zwei Gitarristen Joe Goldring und Kevin Thomson rahmten das Schlagzeug ein, stimmten ihre Intrumente mal heller, mal dunkler und gaben dem Ganzen einen psychedelischen Hall, der sich so in die Höhe ungestört ausbreiten konnte.
Kurz vor Konzertbeginn war es noch recht gedämpft in dem leeren Saal mit der Hintergrundmusik aus den Boxen. Nur wer aufmerksam lauschte, konnte Schlagzeuger Sharin im abgehangenen Backstage, einem mit lauter weißen Ballons dekorierten Raum, ein energisches Schlagzeugsolo spielen hören, das wohl der Erwärmung diente.
Später verzichtete der umtriebige Musiker, der in der Vergangenheit schon einmal mit anderer Begleitung in der „fabrik“ zu Gast war, dann auf Soloeskapaden und wurde stattdessen Teil der kompakten, sehr einheitlichen Musik der Enablers. Die lebt unter anderem vom ausgesprochen eindringlichen Charisma des Frontmannes Pete Simonelli, der etwas Diabolisches und Prophetisches an sich hat und von der Musikpresse als der „Baudelaire unserer Zeit“ gehandelt wird.
Eher klein und schmal, mit feuerrotem Hemd und dunkler Anzughose, agierte er auf der Bühne, wand sich, zuckte, sprang oder verhielt in gebeugter Pose, mit starrem Blick und gebleckten Zähnen, angelehnt ein wenig an sein Künstlervorbild Klaus Kinski. Seine Gestik symbolisch – gereckte Faust, Einhalt gebietende Handflächen, wildes Rotieren mit dem ganzen Arm. Dazu diese schlängelnden Bewegungen, dieses sich Winden unter der Last der Aussagen, die er dem Publikum entgegenschleuderte, die sich um die Liebe, den Tod und das menschliche Dasein drehten, und die mit Sicherheit eine ganze Interpretationsbewegung unter den Fans auslösten.
Die waren anfänglich etwas überrascht von den oft abrupt endenden kurzen Songs, gerieten aber bald in Trance und ganz unter den Einfluss der Musik und der Spoken Word Poetry des Frontmanns, der den Kontakt zum Publikum nicht scheute, sich auf den Bühnenrand setzte oder direkt in die kleine Menge sprang.
„Bullit“ wurde gewünscht und prompt gespielt, nicht ohne vorher kurz eine Barszene aus dem gleichnamigen Film mit Steve McQueen wiederzugeben und die Empfehlung auszusprechen, den Film einmal ohne Ton zu sehen. Wie das aussehen konnte, demonstrierte Pete Simonelli dann im letzten Song, in dem er sich zwischen den Zuhörern bewegte, um sie herum schlich und ihnen, ohne Mikro und ohne Stimme, scheinbar ins Gesicht schrie. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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