Kultur: Gertenschlank
Bachtage mit „Exxential Bach“ im IHK-Forum
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Die Musiker haben sich sitzend oder stehend im Halbrund um das Cembalo versammelt, die Zuhörer umsitzen sie halbkreisförmig. Das mag die Atmosphäre barocken Musizierens heraufbeschwören, ist jedoch der wenig musenfreundlichen Ausführung im IHK-Forum geschuldet. So haben sich die Musiker von „Exxential Bach“ fast bis in die Mitte des Raumes begeben, um aus akustischer Not eine klingende Tugend zu machen. Unter der impulsgebenden Anleitung von Stephan Mai, Co-Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin, haben sie sich könnerisch und engagiert dem Spiel auf nachgebauten historischen Instrumenten verschrieben.
Im Zentrum stehen zwei Brandenburgische Konzerte aus der Sammlung „Six Concerts avec plusiers instruments“, die erst durch den Bachbiografen Philipp Spitta ihren Bezug zum Widmungsträger erhalten haben, dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg, einem Sohn des Großen Kürfürsten. Dessen Hofkapelle war mit nur sechs Musikerstellen besetzt: zu wenige, um die Werksammlung adäquat aufführen zu können. Neun sind“s diesmal, die dem 4. Konzert G-Dur BWV 1049 zu einer lebendigen Wiedergabe verhelfen. Dem Streicher-Ripieno (mehrfach besetzte Hauptstimmen eines Ensembles) mit zwei Violinen (Sarah Flögel, Stephan Mai), Bratsche (Nikolaus Schlierf), Violoncello (Kathrin Sutor), Violone (Sara Perl) und Cembalo (Björn O. Wiede) stehen als Solisten Violine (Wolfgang Hasleder) und zwei Blockflöten (Susanne Fröhlich, Martin Ripper) gegenüber. Dieses Concertino eröffnet auch sogleich mit wiegender Flötenmelodik und virtuoser Saitenakrobatik den Allegro-Satz. Im Final-Presto wetteifern sie gleichsam um die Gunst der Zuhörer. Der Andante-Mittelsatz wird von weich fließenden Achtel-Wendungen voll des schmerzlichsten Ausdrucks geprägt. Dezente Echowirkungen prägen sich ein, weil alle Musiker auf klangliche Gleichgewichtung großen Wert legen.
Auch dem Concerto Nr. 5 D-Dur BWV 1050 entsteht dadurch eine strukturerhellende, spannungsintensive Wiedergabe. Nicht nur in dem ausgedehnten Cembalosolo brilliert Björn O. Wiede mit unaufhörlich rauschenden Tastenläufen – die pure Bravour. Dazu ein inniges Dreiergespräch von klanggebändigtem Cembalo, Violine und Flauto traverso (Benedek Csalog) in exzellenter klanglicher Balance.
Die gibt es bereits eingangs zu bewundern, bei der lebendigen, gertenschlanken, beschwingt ausgebreiteten und vergnüglich anzuhörenden Suite C-Dur BWV 1066 in einer Fassung für Traversflöte, Violine, Violoncello, Streicher und B.c. Es hüpft voller Lebensfreude und Spiellaune – das reinste Vergnügen. Nicht dagegen die „Einlagen“ von Stephan Mai, der sich mit großem Körpereinsatz wie ein barocker Tanzmeister affektiert spreizt. Spannungsreich musiziert wird auch der originelle Komponistenmix aus einem Mozartschen Adagio mit einer Bachschen Fuge in d-Moll: von jenem für Streicher arrangiert, nachdem er sich auf Anregung des Barons van Swieten mit der Bachschen Fugenkunst beschäftigte. Sie ist klanglich und spieltechnisch eine sehr ernste Angelegenheit. Nachdem Stephan Mai sich im kontrapunktischen Netzwerk verfängt und aus dem Takt kommt, wird sie wiederholt. Keiner nimmt übel, mischt zum Schluss seinen Beifall mit dem der anderen zum Tutti. Peter Buske
Peter Buske
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