Kultur: Gerupfte Hühner auf Telegrafenmasten
Skulpturen von Rainer Sperl ab heute im Waschhaus
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Skulpturen von Rainer Sperl ab heute im Waschhaus Die Trockenstäbe eines Haartrockners werden zum Indianerschmuck, die Schnecke eines Cellos zum lockigen Haar. Die Gurkendiät findet direkt auf der Waage statt und ein wallender Busen wird zum Blasebalg des Akkordeons: Willkommen in der „Sperlzone". Heute wird die Ausstellung der Skulpturen und Objekte von Rainer Sperl in der Galerie im Waschhaus eröffnet. Der Galerist und Künstler lebt seit den 70er Jahren in Potsdam. Bereits zwanzig Jahre arbeitet er als freischaffender Künstler an Skulpturen, die zum großen Teil aus Keramik bestehen. Seine Skulpturen und deren Titel zeigen die Lust am Grotesken, Absurden. Rainer Sperl lacht gerne. Er besitzt einen großen Fundus an Dingen, die er gefunden hat oder die ihm Bekannte vorbei bringen und lässt sich von ihnen inspirieren oder findet unter ihnen das, was zu einer Idee passt. Ein verwittertes Wurzelstück liefert die Beine eines Tänzers („Potsdamer Tanztage"), die Ventilwindungen eines Horns werden zu den Gehirnwindungen Einsteins („Einsteingeist"). Die über vierzig Exponate gruppieren sich größtenteils zu Serien. Es gibt die Hühner hoch oben auf den Spitzen der Telegrafenmasten (aus Mecklenburg) und die Figuren in und auf den Küchengeräten. Wobei die Figuren oft an gerupfte Hühner erinnern und die nackten Hühner Gesichter oder Brüste haben. Dann die Instrumente, die zur Figur oder zum Torso werden und die Gartengeräte, mit den Köpfen zwischen Stiel und rostigem Aufsatz („Dämonen des Gärtners"). Diese Geräte stecken in Eimern, auf denen alte Schilder aus den hiesigen Parkanlagen kleben: „Aufrechte Osterluzei - Aristolochia clematitis", „Dornige Spitzklatte - Xanthium spinosum". Die Serie der "Flieger" besteht aus großen Dachschindeln aus Schiefer, in Metallrahmen eingefasst. Auf die Schindeln sind alte Geräte montiert, aus denen Köpfe aus Keramik hervorwachsen. Auf einer Druckpumpe sitzt ein Kopf mit langer Nase und geschwungenen Fischflossen an der Stelle der Ohren: „Kleiner Spanner“. In dem Kelch eines Zerstäubers, der vielleicht einmal auf jener Druckpumpe saß, steht eine kleine Figur mit einer Muschel auf dem Kopf. Unten am Zerstäuber ist eine lange Fräslocke aus Metall befestigt, sie glänzt silbern und hängt über den Metallrahmen hinaus: „Mondscheinflug". Auf einer weiteren Schieferplatte steckt der Mittelteil einer Handreibe. Die Kurbel fehlt, doch statt dessen ist unten ein kleiner Trompetentrichter und oben ein Kopf, dessen Ohren aus Suppenlöffeln bestehen: „Kleiner Überflieger". Der „Große Überflieger" dominiert die Mitte von einem der Ausstellungsräume. Eine senkrecht stehende Heizungsspirale ragt hoch hinauf, so dass die Betrachter den Kopf in den Nacken legen müssen. Oben sitzt der "Überflieger" auf einem halben Fahrradsattel und unter einer schweren Schiffsschraube. Als Helm dient eine Tasse aus Metall. Der Steuerknüppel, den die Figur umklammert, führt zum Schiffsmotor, auf dem der Sattel befestigt ist. Auch einen roten Reflektor gibt es, welcher den Rücken des „Überfliegers" frei hält von sonstigem Verkehr. Der vorhandene schwarze Druckschalter löst nichts aus, doch stünde diese Skulptur im Freien, würde der Wind die Schiffsschraube bewegen. Der „Überflieger", winzig zwischen Motor und Schraube, bliebe jedoch bewegungslos da, wo er ist. Es gibt viel zu sehen und zu entdecken an diesen Arbeiten von Rainer Sperl. Die Antiquitäten und alten vergessenen Gebrauchsgegenstände locken nah heran. Seine Kunst dürfe auch berührt werden, meint der Künstler, doch sein über Jahre entwickeltes Verfahren zur Behandlung der Keramikoberflächen bleibe sein „Geheimrezept". Dagmar Schnürer Die Vernissage ist heute um 20 Uhr. Eintritt frei. Bis zum 26. September 2003 ist die Ausstellung im Waschhaus zu sehen: Mi.- Fr. 16 - 20 Uhr, Sa./ So. 14 - 20 Uhr.
Dagmar Schnürer
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