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Frauenfußball früher und das Lächeln heute: mit Gisela Liedemann (Turbine-Gründungsmitglied), Erfolgstrainer Bernd Schröder und die Kapitänin des Champions-League-Siegers, Jennifer Zietz, sowie vom Filmteam Antje Volkmann (Ton, l.)und Jessica Bönisch (Producer, r.)

© Manfred Thomas/promo

Kultur: Geschichte und Geschichten

„Die schönste Nebensache der Welt“: Frauenfußball im Filmmuseum und ein sehr heiterer Dokumentarfilm

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Herzhaftes Gelächter und Szenenbeifall ertönt, als Petra Landers, Mitglied der ersten offiziellen Frauen-Nationalmannschaft, einzelne Teile eines umfangreichen Tafelservices aus ihrem Küchenschrank hervorholt und mit ironischen Kommentaren in die Kamera hält. Offenbar noch ganz hausfrauengerecht hatte der DFB im Jahr 1989 diesen Geschirrberg jeder Spielerin als Prämie für den Gewinn der Europameisterschaft überreicht. Heutzutage sind solche makaberen Gesten glücklicherweise Geschichte, Episoden, über die man gern schmunzelt. Im Kinosaal des Filmmuseums hatte man am Montagabend reichlich, über zweieinhalb Stunden, Gelegenheit dazu.

Gerade die treuen Fans von Turbine Potsdam, die sich fast erwartungsgemäß und zahlreich unter den gut 80 Gästen befinden, wissen, dass die Geschichte des deutschen Frauenfußballs eine durch Leidenschaft und Beharrlichkeit gemeisterte Erfolgsgeschichte ist. Diesen übergreifenden Eindruck vermittelt der an diesem Abend erstmals gezeigte Film „Die schönste Nebensache der Welt“, der gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) umgesetzt wurde und unter Betreuung der Stadtfilmerin Jana Marsik entstanden ist.

Ein sehr ehrlich naher und dabei oftmals heiterer Dokumentarfilm der Regisseurin Tanja Bubbel über die Geschichte des Frauenfußballs und Turbine Potsdam. Es sind die Erinnerungen und anekdotischen, nicht selten humoristischen Berichte der ehemaligen Fußballerinnen einerseits und die zwischendrin immer wieder eingespielten Ausschnitte aus alten Fernsehbeiträgen, die den Film rasch Fahrt aufnehmen lassen. Und schnell wird klar, dass die Kickerinnen auf beiden Seiten des ehemals geteilten Deutschlands nicht nur ein enorm anspruchsvolles Trainingspensum abzuleisten, sondern immer auch gegen Schranken und Vorurteile zu kämpfen hatten.

Sabine Seidel und Gisela Liedemann, die in den 70er Jahren für Turbine spielten und dem Verein bis heute verbunden geblieben sind, erinnern sich daran, dass alle Frauenteams bis zur Wende statt um eine DDR-Meisterschaft lediglich um eine „Bestenermittlung“ spielen konnten. Dann sieht man die jungen Sportlerinnen, einen Autoreifen im Schlepptau, auf einer Rennbahn und im nächsten Moment den Ausschnitt aus einem DDR-Film, in dem der Frauenfußball zur komisch kitschigen Ballettdarbietung gerät. Und geradezu goldig wirkt das Bild der fünf älteren Damen aus Westdeutschland, die ebenfalls über ihr Fußballleben erzählen. Trotz offiziellem DFB-Verbot, von 1955 bis 1970, spielten sie in den 50er Jahren ihre ersten Länderspiele schon in ausverkauften Stadien, während die Trainingseinheiten eher privat, auf Wiesen abgeleistet wurden. Dass manche der männlichen Zuschauer nicht nur ob des sportlichen Aspekts begeistert waren und des öfteren lautstark „Trikottausch“ forderten, kommentieren die Damen heute gelassen belustigt. Denn tatsächlich wird im Verlauf des Films deutlich, dass Akzeptanz und Interesse für den Frauenfußball viel stärker gewesen sein müssen, als es den Entscheidungsgremien in Ost und West vielleicht bewusst und lieb gewesen ist.

Nun kann so ein filmischer, nostalgischer Rückblick auf den deutschen Frauenfußball vielleicht nirgendwo besser gelingen als in der Heimatstadt des neuen Champions League-Siegers und die Podiumsdiskussion nicht prominenter besetzt sein als mit der Mannschaftkapitänin Jennifer Zietz und dem Trainer und Turbine-Urgestein Bernd Schröder. Gefallen hat der Film auch ihnen. Beruhigend und beängstigend zugleich empfindet Zietz ihre augenzwinkernde Feststellung, dass ihr Trainer schon damals so gewesen sei, wie sie ihn heute kenne. Schröder selber gefällt an dem Film, dass darin nicht mit Früher-Heute-Vergleichen gearbeitet wird. Die Leistungsbereitschaft der Frauen sei ja nach wie vor hoch, doch sei deren Spielweise heutzutage eben viel schneller und flexibler geworden. Doch Schröder ist bekanntlich auch ein Mann der offenen, unbequemen Worte. So beklagt er allgemein die zunehmende Oberflächlichkeit im Sportgeschäft, in dem Respekt, Loyalität und Verantwortungsbewusstsein kaum noch gelebt und verinnerlicht würden, bevor der Trainerfuchs dann allen Beteiligten von Turbine, vom Busfahrer bis zum Fan, ein tiefes großes, in Beifall gebettetes Lob ausspricht.

Wie eine Zugabe wirkt dann der nach dem netten Sektempfang noch gezeigte DDR-Kurzfilm „Frauen am Ball“ von 1988, ein Porträt über die BSG Turbine Potsdam. Es ist der Abschluss eines WM-Auftakts der besonderen Art, eines erfüllenden Abends. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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