zum Hauptinhalt

Kultur: Geschlegelte Gefühle

Schwedisches Kroumata Percussion-Ensemble beim Sinfoniekonzert im Nikolaisaal

Stand:

Ach, könnte doch zeitgenössische Musik immer so ohrenfreundlich und gefühlsintensiv klingen wie die 2002 entstandenen „Concert Pieces for Percussion and Orchestra“ des schwedischen Komponisten Sven-David Sandström (geb. 1942). Er hatte sie für das bekannte, sechsköpfige Kroumata-Ensemble seines Heimatlandes geschrieben, das beim 3. Sinfoniekonzert des Nikolaisaals mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter Leitung des Kolumbianers Andrés Orozco-Estrada wiederum den Solopart übernommen hatte. Vom ersten Schlag an ziehen die raffiniertesten Klänge den Hörer in einen Sog, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Das Stück ist überschaubar gegliedert: in jedem der drei Sätze steht eine Gruppe von Schlaginstrumenten im Mittelpunkt des raffiniert erfundenen und arrangierten, mit hinreißender Virtuosität dargebotenen Geschehens.

Es könnte Frühling sein und die Eiszapfen tauten ab – so ungefähr ließe sich beschreiben, was im ersten Satz „Wood“ (Holz) leise und unaufhörlich auf’s Xylophon klangtröpfelt. Manche nachfolgenden Passagen mit Streichern klingen durch Glissandoeffekte geheimnisvoll, mitunter wie gefror’ne Tränen. Eine überaus suggestive Musik. Vom derben Schlegel bis zum florettflink gehandhabten dünnen Holzstäbchen bearbeiten die rhythmisch perfekten Schläger auch im „Skin“-Satz die Felle. Hier ist Muskelkraft gefragt, bricht sich das Archaische gleich orgiastischen Ritualtänzen ungehemmt Bahn. Dem hämmernden Klangfest folgt die Ermattung, die per Hand getrommelte Geisterbeschwörung. Glockenspiele, Gongs, Vibraphon und Röhrenglocken verleihen dem „Metal“-Satz seinen unverwechselbaren Reiz, der sich mit einem düster einherschreitenden Bläserchoral eröffnet. Mit den anderen Orchesterinstrumenten mischt sich das alles zu einem Klangfarbenmix der pfiffigsten Art. Man fühlt sich an ein vom Winde bewegtes Mobile erinnert. Mit hinreißenden Variationen des Weill-Tangos „In jener Zeit, die längst vergangen ist“ (aus der „Dreigroschenoper“) bedanken sich die stürmisch gefeierten schwedischen Perkussionisten.

Begonnen hatte der reizvolle Abend mit der Debussyschen Orchesterbearbeitung der „Gymnopédies“ (Kulttänze aus dem antiken Griechenland) von Erik Satie (1866-1925). Mit subtilem Klangempfinden werden die kurzen und kurzweiligen, durchweg lyrisch geprägten Klänge ausgebreitet. Geradezu filmmusikreif singt eine empfindsame Oboenkantilene ihr einprägsames Lied (Lent e grave). Nicht minder schwelgend geht es auch in der zweiten Piece zu (Lent et douloureux). Nahezu klangvollendet werden sie gespielt – da kann sich die Seele wahrlich entspannt zurücklehnen.

Solche Opulenz findet sich in Ansätzen auch bei der Wiedergabe der 8. Sinfonie G-Dur op. 88 des böhmischen Musikanten Antonin Dvorak (1841-1904), die zwischen Naturidylle und rhythmusdeftigem Landleben nur so überquillt. Die zupackende Art des Dirigenten verhilft den dynamischen Extremen zu effektvollen Wirkungen. Dem Schwelgen der tiefen Streicher in Romantik pur folgt der temperamentvolle, ein wenig zu forsch genommene Umschwung ins Quirlige. Dann wieder breitet sich himmlische Ruhe aus. Die findet sich auch im vollmundig, klangvoll und detailverliebt ausgespielten Adagio. Die Geigen gehen – und nicht nur hier – sehr sparsam mit dem Vibrato um. Tänzerisch beschwingt und elegant zieht das Allegretto grazioso vorüber, während sich die schmetternde Fröhlichkeit des Finales zu forciert im Fortissimorausch artikuliert.

Im Anschluss an das Konzert ist man zur „Nachtstudio“-Premiere ins Foyer geladen. Als klingenden „Nachschlag“ zum zuvor Gehörten serviert Perkussionist Martin Krause (Deutsches Filmorchester Babelsberg) vor zahlreich Dableibenden intime Schlagklangkost. Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })