Kultur: Gespenster-Hoffmann
Lesung des Hans Otto Theaters aus Kater Murr im Krongut Bornstedt
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Lesung des Hans Otto Theaters aus Kater Murr im Krongut Bornstedt Über E. T. A. Hoffmann als den vermeintlich romantischsten aller romantischen Dichter streiten sich immer die Geister. Goethe äußerte sich über dessen „Fantasiestücke in Callots Manier“ 1815 ablehnend schroff: „hohler Tageswahn, oberflächliche Zeitbildung“. Auch Heine nahm sein anfangs positives Urteil zurück: „Die Purpurglut in Hoffmanns Fantasiestücken“ ist nicht die Flamme des Genies, sondern des Fiebers...“. Beide fürchteten eine Verderbnis der reinen Poesie, mithin Geschmacksverbildung ihres deutschen Lesepublikums. Andere lieben ihn, einfach so. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich die Lesung des Hans Otto Theaters im Bornstedter Krongut mit Texten aus „Callot“ und den „Lebensansichten des Katers Murr“ fast zu einer Feuerprobe: Goethe oder Gespenster-Hoffmann – wie wird das Publikum nun reagieren? Vorzustellen waren, in Wort und artiger Notierung, des „Kapellmeister Kreislers musikalische Freuden“, nicht seine „Leiden“, wie es Hoffmann (1776-1822) seinem geniebesessenen Musikus in den Titel geschrieben. Auch diesmal lag die Gesamtleitung in den bewährten Händen von Hans-Jochen Röhrig, doch las er nicht selbst. An seiner statt machte sich HOT-Schauspieler Moritz Führmann auf seinem Hochsitz einen temperamentvollen Namen. Unter ihm, der „verfluchten vier Kreuze des E-Dur“ nicht achtend, spielten Rita Nauke (Klavier), Peter Rainer (Violine) und Jan-Peter Kuschel (Violoncello) Auszüge aus Hoffmanns Kompositionen, darunter auch das Trio der mozart-verliebten Doppelbegabung, in E-Dur. Das war einfach exzellent. Hoffmanns „Kreisleriana“ ist eine umfängliche Textsammlung aus Erzählungen, musiktheoretischen Aufsätzen, Betrachtungen und Schnurren zu Zeit und Kunst, wobei sein Alter ego Johann Kreisler dem „spießigen“ Bürgertum über die Massen und mit Todesverachtung höhnt. In der Titelgeschichte wird ein musikalisch-ästhetischer Thee bei den reichen Röderleins geschildert, worin es vor Bosheit und tödlicher Ironie beinahe bluttrieft. Im „Musikfeind“ erzählt Kreisler von einem Jüngling, welchen seine Liebe zur Tonkunst paradoxerweise zum „Musikfeind“ machte. Drittens hörte man – nach dem Glanz in E-Dur – noch vom poetelnden „Kater Murr“, eine Liebes- ,dann versöhnliche Ehegeschichte aus dem Reiche der murrenden, schnurrenden Katzen: Der Langbart verzieh ja den Seitensprung seiner Huldin sehr gern. Moritz Führmann nahm den Hoffmannschen Fehdehandschuh in seine Sinnlichkeit auf. Ihm war es ein sichtbares Vergnügen, die teils knallharten Texte mit eigener Ironie und Hintersinn weiterzugeben, mit vielerlei Ton und manchmal seltsam geschnürter Stimme (obwohl das besser pausiert werden kann). Er sang einen Part sogar selbst, donnerte seine „Abscheu“ wider das schmunzelnde Trio um Peter Rainer herab. Er lebte. Und das Publikum? Es hatte seinen Spaß. Ach, es war ein vergnüglicher Nachmittag, armer Goethe. Die aus seiner Sicht „krankhaften Werke eines leidenden Mannes“ hatten zumindest Robert Schumann zu sieben Klavierstücken auf den „Kapellmeister“ inspiriert, die andre „Kreisleriana“.GeroldPaul
GeroldPau
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