Kultur: Getanzter Reiz
„Noche Flamenco“ in der Waschhaus-Arena
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Auf einem Tresen im Foyer lagen Broschüren, die für „Flamenco-Ferien. Direkt am Meer“ werben. In dem Fischerdorf Bolonia, an der andalusischen Küste La Costa de la Luz, kann, wer will, zehn Tage lang dem Flamenco in Intensivkursen frönen. Tanz, Gitarre oder Gesang, die Auswahl ist überschaubar. Der Gedanke aber an all die unbeholfen stampfenden Beine, die malträtierten Gitarren und erst recht an die Gesangsversuche ließen einen sich unwillkürlich schütteln. Selbst wenn am Meer gelegen, kann doch unter diesen Umständen kaum die Rede von Ferien sein.
Dienstagabend in der Waschhaus-Arena. „Noche Flamenco“, die mittlerweile schon traditionelle Fiesta der Tänzerin, Sängerin und Lehrerin Joëlle Guerrero steht auf dem Programm. Seit 1992 unterrichtet die gebürtige Französin in Berlin und Potsdam Flamencotanz. Seit 2002 lässt sie einmal jährlich ihre Schülerinnen auf der Bühne des Waschhauses präsentieren, was sie bei der Meisterin gelernt haben. Zum verkrampften Schüler-Vortanzen verkommt das Gezeigte jedoch nie. Schon immer hat Joëlle Guerrero auf das entsprechende Ambiente gesetzt. Ihre Schülerinnen tanzen in den traditionellen, körperbetonten Kleidern, für die Musik und den Gesang setzt sie auf professionelle Unterstützung. An diesem Abend waren es neben dem Sänger Luis Monje Vargas und dem Gitarristen und Sänger Rubin de la Ana die Lehrerin Joëlle Guerrero selbst, die sang, und ein Gitarrist, der nur schlicht und ergreifend Hartmut genannt wurde.
Es brauchte nicht lange, bis sich in einem ein angenehmes Gefühl südlicher Leichtigkeit breit machte. Die einstimmenden Anfeuerungsrufe, Jaleos genannt, die Sevillana, ein Paartanz, der streng genommen nicht zum Flamenco zu zählen ist, eine Rumba und eine Buleria, mit der Hartmut solo glänzen durfte. Kurz vergewisserte man sich, ob man den Zettel mit den Flamenco-Ferien auch wirklich in die Hosentasche gesteckt und nicht gleich wieder weggeworfen hatte.
Was die Tänzerinnen auf der Bühne zeigten, war frei von professionellem Anspruch. Hier wurde die Freude an der Musik und dem affektreichen Flamencotanz gezeigt. Und das gelegentlich auf professionellem Niveau. Stolz und Koketterie. Würden sie nicht diese klassischen Kleider tragen, man könnte sagen, bei Joëlle Guerrero haben die Frauen die Hosen an. Selbstbewusst wird hier tanzend der weibliche Reiz in ganzer Pracht präsentiert. Knallende Schuhe, geschwungener Rocksaum, durchgedrückter Rücken, graziöse Handbewegungen und -spielereien und nicht selten ein Blick, der durch Mark und Bein ging. Ob in der Gruppe oder im Soloauftritt, fast immer wussten die Damen zu bezaubern und ließen vor allem im zweiten Teil des Abends das Publikum im vollen Saal zu kurzen Begeisterungsstürmen hinreißen. Einer der Höhepunkte jedoch war der Auftritt von Sängerin Joëlle Guerrero, Sänger Luis Monje Vargas und dem Gitarristen und Sänger Rubin de la Ana. Da war es deutlich spürbar, dieses körperliche Flamenco-Gefühl, von dem Joëlle Guerrero an diesem Abend mehrmals sprach.
Später noch ein Blick auf die Broschüre „Flamenco-Ferien. Direkt am Meer“. Nicht dass man gleich den Selbstversuch an der andalusischen Küste buchen wollte. Doch nach „Noche Flamenco“ kann man sich Ferien in dieser Umgebung schon eher vorstellen. Dirk Becker
Mit „Flamenco Joven“ ist am 15. Mai, ab 20 Uhr der Auftakt des Zyklus „Junger Flamenco“ mit der 17-jährigen Tänzerin Maria Canea, den Sängern Elena Morales und Manuel Romero Jiménez und den Gitarristen Pedro Viscomi-Martin und Ulrich Gottwald in der Waschhaus-Arena zu sehen. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 8, an der Abendkasse 12 Euro.
Dirk Becker
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