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Kultur: Gewalt der Leere

„Kombat Sechzehn“ - in der morgigen PNN-Filmnacht im Filmmuseum

„Kombat Sechzehn“ - in der morgigen PNN-Filmnacht im Filmmuseum „Sechzehnjähriger tötete Siebenjährigen aus Frust“ ist eine Schlagzeile in den Zeitungen der letzten Tage. Ein Sechzehnjähriger setzt seinen Unmut am Leben in Gewalt um. Er erschlägt ein Kind. Einfach so. Ganz in unmittelbarer Nähe. In Berlin Zehlendorf. Ganz nahe kommt dieses Geschehen der Thematik des Debütfilms von Mirko Borscht „Kombat Sechzehn“, der morgen bei der PNN-Filmnacht erstmals in Potsdam gezeigt wird. Ein Betonplatz. Blau, hart und leer. Wie eine kultische Opferstelle. Dann Dunkelheit. Aufblitzende Lichter. Rote. Weiße. Basstöne vom Synthesizer wie Schritte ins Nichts. Koreanische Schriftzeichen. Faschosymbole. Dazwischen die Namen der Darsteller, der Drehbuchautoren, der Produzenten. Mit einem roten Kleinbus kommen sie an. Andreas (Falk Rockstroh), Georg (Florian Bartholomäi) und Anke (Christine Diensberg). Aus kurzen bruchstückhaften Dialogen ist zu erfahren, dass Georg und Anke ihrem Architekten-Vater von Frankfurt am Main nach Frankfurt an der Oder folgten, der hier ein Einkaufszentrum bauen soll. Was wichtig für ihn ist. Was der Vater – ein ergrauter Altachtundsechziger – immer wieder leidenschaftslos betont. Der 16-jährige Georg zeigt sich frustriert und bockig. Beklagt, dass er in Frankfurt am Main alles das zurücklassen musste, was sein Leben ausmachte: Die Freundin Jasmin (Isabella Mbarga) und den Kampfsport Taekwondo. Weder in der neuen normierten Plattenbauwohnung noch in der Stadt lassen sich für Georg ein Trainingsplatz und ein akzeptabler Club finden. Auch der Schulbeginn ist für Georg frustrierend. Die kleine Schulklasse, begrenzt von Deutschlandkarte und Deutschlandfahne, lehnt den Wessi ab. Die literarischen Sprüche der Uraltklassiker, die die Lehrerin proklamiert, vertröpfeln kraftlos und ungehört im Raum. Hier und auf dem Schulhof herrschen die markigen Sprüche der Faschoclique, die nur Freund oder Feind, rechts oder links kennt. Mit geübten Tritten und Schlägen aus dem Kampfsporttraining kann sich Georg bei der Clique Anerkennung verschaffen. Während Thomas (Ludwig Trepte) ihm die Freundschaft anträgt, wird im Hintergrund die „Unsterbliche Kameradschaft“ pathetisch und unheimlich intoniert. Als Georg in Frankfurt am Main seine Starterlaubnis zum Hessischen Länderkampf und seine Freundin an einen anderen verliert, eskalieren die hilflosen Familiendialoge vollends. Treiben Georg immer mehr in die Hände der fragwürdigen Kameradschaft. Für die die Gleichheit der Erscheinung immer zwingender wird. Bis alle Köpfe austauschbar gleich und kahl sind. Immer kraftvoller wird der Sog der Macht der Leere. Und der Ohnmacht. Und des Alkohols. Immer größer wird der Innendruck, der in Gewaltexzessen Entlastung sucht. An Unschuldigen, die zufällig den Betonplatz kreuzen. Hart an der Bordsteinkante, an der Opfer- und Täterknochen gleichsam zerbersten, wird die Kamera geführt. Von der gemeinsamen Programmwerkstatt von RBB und ZDF „Ostwind“ mit pädagogischem Ansatz in Auftrag gegeben, endet der Film dann doch hoffnungsvoll. In einem Taekwondoclub finden Georg und Thomas schwer verletzt Aufnahme. Und einen möglichen Neuanfang. Die Story des Films „Kombat Sechzehn“, auf „le kombat“ (der Kampf) zurückführend, mag ein wenig konstruiert und zeitweise nicht immer ganz schlüssig erscheinen. Die Clip-Ästhetik wird besonders einem von den Musikclips beeinflussten jungen Publikum entgegenkommen. Obwohl deutlich bemüht, gegen die gängigen Klischees anzukämpfen, werden einige dennoch bedient. Der Versuch, Prozesse und Gewaltstrukturen in Jugendgruppen als ein archaisches menschliches Phänomen zu beleuchten, nicht als ein politisches, bleibt unbedingt sehenswert. Interessant ist der Versuch, die Ästhetik Leni Riefenstahls und die Clip-Ästhetik miteinander zu einem ganz neuen Gebilde zu vereinen. Eine eigene Handschrift Mirko Borschts wird lesbar. Im Anschluss an den Film diskutiert der PNN-Politikchef Peter Tiede mit ausgewiesenen Experten des Themas Rechtsextremismus: mit Uwe Dinjus, dem Chef der Staatsschutzabteilung beim Polizeipräsidium Potsdam, Frauke Postel vom Mobilen Beratungsteam, das Bürger, Gemeinden, Schulen und Behörden u.a. zu Gewaltprävention und Rechtsextremismus berät, sowie dem Regisseur Mirko Borscht. Barbara Wiesener Donnerstag, Filmmuseum, 19 Uhr

Barbara Wiesener

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