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Kultur: Gewaltstücke

Bach“n“Jazz mit Kühn und Eisenberg

Stand:

Das waren Gewaltstücke. Was Michael Kühn am Donnerstag auf dem Klavier in der Nikolaikirche spielte, durchmaß den großen Raum mit mächtigen Klangschritten. Wucht und Forte seine Lieblingsbegleiter. Die Akkorde wie Brocken geschleudert, die Läufe wie mächtige Wellen aufgetürmt. Das war keine feingewobene Musik, sondern grob gestrickt, Fragment an Fragment gesetzt, auf dass es an den Kanten nur so krachte. Matthias Eisenberg an der Orgel der ruhende Kontrapunkt, mit langem Atem in den tiefen Registern und leise verspielt in den Höhen. Die beiden saßen einander den Rücken zugewandt und rieben sich musikalisch einander, um für Momente nur zusammenzufinden und dann wieder abzudriften in die scheinbar endlosen Meere der Improvisation.

Zu „Bach“n“Jazz“ waren der Pianist und Saxophonist Joachim Kühn und der Organist Matthias Eisenberg in der Nikolaikirche im Rahmen der Potsdamer Bachtage zusammengekommen. Dieses nicht gerade neue, aber immer wieder reizvolle Experiment fand viele Neugierige, so dass kaum ein Platz auf den harten Kirchenbänken frei blieb. Kühn und Eisenberg lieferten das entsprechende Programm, das oft genug nicht vor entsprechender Härte gegenüber den Ohren der Gäste zurückschreckte.

Bachs Motetten „Komm, Jesu, komm“ und „Jesu meine Freude“ waren Anfang und Schlusspunkt dieser wilden Reise. Dazwischen Kühn und Eisenberg mal zusammen, dann solo. Kühn dabei vor allem ein Getriebener im Jazz. Im Zusammenspiel mit Eisenberg war er immer derjenige, der sich zuerst von den Noten löste und sein Glück im freien Spiel suchte. Seine Interpretation von Bachs Chaconne aus der Partita d-Moll für Violine solo geriet ihm zum furiosen Zertrümmerungsakt. Die Themen der bekannten Variation aufgreifend, brach er sie immer wieder auseinander für die eigenen Ideen. Auch seinen Zyklus von Eigenkompositionen „Salinas/Die Entführung/Mar y Sal“ gestaltete er zu einem wilden, widerborstigen und sich fast schon im Kreise drehenden Biest.

Matthias Eisenberg lieferte mit Stücken aus Bachs „Kunst der Fuge“ und dem Präludium und der Fuge h-moll (BWV 544) auf die Orgel Momente der des Luftholens, bevor die nächste Welle der Kühnschen Improvisationen über die Zuhörer hereinbrach. Es hatte seinen Reiz, wie widerspenstig sich Kühn mit seinem Spiel anfänglich gab, sich diese Widerspenstigkeit im Zusammenspiel mit Eisenberg und dem allmählichen Einhören der Gäste auflöste und in diesen Gewaltstücken das Bachsche und die Improvisation Farben und Formen bekamen. Klanglich jedoch mussten Abstriche gemacht werden, blieben die Feinheiten des Klavierspiels in dem großen, halligen Kirchensaal zu oft auf der Strecke. Dirk Becker

Dirk Becker

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