Kultur: Gezwungen zur Lust
Die Ausstellung „Ohne Glanz und Glamour“ informiert über das Thema Zwangsprostitution
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Auf den ersten Blick wirkt die Wanderausstellung zu Frauenhandel und Zwangsprostitution etwas nüchtern. Eigentlich so, wie es ihr Titel „Ohne Glanz und Glamour“ auch ankündigt. Auf den etwa 20 Schautafeln im Truman-Haus der Friedrich-Naumann-Stiftung steht viel Text – dadurch sprechen sie zunächst eher den Kopf, als das unmittelbare Gefühl an. Die Informationen sind jedoch so ausgewählt, das sie im Gedächtnis haften bleiben. Und sie sind mit aufwühlenden Zahlen unterlegt.
So erfahren die Besucher, dass seit 1991 etwa zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung aus Moldawien, dem ärmsten Land Europas, weltweit in die Zwangsprostitution verkauft worden sind. Auf einer anderen Tafel steht, dass die jungen, überwiegend osteuropäischen Frauen, täglich bis zu 17 Stunden arbeiten und in dieser Zeit bis zu 25 Freier abfertigen müssen. Jeweils in der oberen Hälfte der Tafeln sind Fotos angebracht. Die einzelnen Motive – oft bis zur Unkenntlichkeit geschminkte junge Frauen, deren Gesichtszüge trotz all der Farbe hart bleiben– sind ausdrucksstark, aber insgesamt zu klein. So können sie ihre Wirkung beim Betrachter nicht voll entfalten. Juliane von Krause hat die Schautafeln für die Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ zusammen gestellt. „Wir wollten in erster Linie eine informative Ausstellung, gestalten“, sagt sie. „Die Bilder sollen das Problem zusätzlich veranschaulichen.“
Einige der Aufnahmen hat die Fotografin Eva Horstick-Schmitt bei einer UN-Razzia im Kosovo gemacht. Sie wirken wie Szenen aus einem schlechten Film: Das Milieu schmuddelig, die Atmosphäre verroht. Nahe gehend sind auch die sanfteren Bilder des Journalisten Wolfgang Müller. Er hat blutjunge Prostituierte in St.Petersburg fotografiert, in deren Gesichtern sich Sensibilität und Schutzlosigkeit widerspiegeln.
Viele Besucher, unter ihnen auch Männer, schütteln am Anfang der Ausstellung ungläubig den Kopf, wenn sie auf einem der wenigen großformatigen Bilder ein sehr junges Mädchen mit rot geweintem Gesicht und gesenktem Blick sehen. „Wie können diese Mädchen nur so naiv sein?“, fragt ein junger Mann halblaut. Es müsse sich doch auch in Osteuropa herumgesprochen haben, dass im Westen nicht alles Gold ist, was glänzt.
Solche Ansichten hören die Mitarbeiterinnen des Frauenpolitischen Rates Brandenburg und der Beratungsstelle für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel „Bella Donna“ häufig. Als Mitveranstalter der Ausstellung haben sie deshalb einige Fallbeispiele zusammen getragen. Wie die Geschichte einer jungen Rumänin, die offiziell als Altenpflegerin angeworben wurde. Ihr eigener Onkel hatte sie überzeugt, das Angebot anzunehmen. Er war vorher von der Schlepperbande gekauft worden. „Die Mädchen werden immer häufiger gezielt über Vertrauenspersonen angeworben“, sagt Uta Ludwig von „Bella Donna“. Das sei dabei besonders perfide.
Als die Rumänin in Deutschland ankam, wartete schon ihr Zuhälter – ein Deutscher – auf sie. Damit sie nicht floh, wurde sie erpresst. Man drohte, den Kontakt zu ihrer vierjährigen Tochter zu unterbinden – wenn sie sich gegenüber ihren Freiern irgend etwas anmerken ließe. Statt dessen sollte sie so tun, als empfinde sie Lust bei der Arbeit.
Der junge Besucher bleibt noch eine Weile vor dem Text stehen. Dann fällt sein Blick auf das Foto daneben. Es ist das Mädchen mit dem gesenktem Blick vom Beginn seines Rundgangs. Diesmal betrachet er es stumm.
Die Ausstellung ist noch bis zum 30. August in der Karl-Marx-Straße 2 (Nähe S-Bahnhof Griebnitzsee) zu sehen.
Juliane Schoenherr
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