Kultur: „Giftzahn der Zeit“
Theaterschiff: Musik-Kabarett mit Barbara Kuster
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Theaterschiff: Musik-Kabarett mit Barbara Kuster Man kommt im Paar zum Kabarett von Barbara Kuster in das Theaterschiff. Einer, schon im Hüftbereich ein wenig versteift, poltert rücklings, plötzlich losgelöst von seiner Gattin, die steile Treppe in den Schiffsbauch herunter, freilich ohne sich zu verletzen. Der gemütliche Barmann Erich, spendet Trost und schenkt das unter Kabarettfreunden beliebte dunkle tschechische Bier aus, oder mixt den „aufgebretzelten“ Gattinnen, onduliert und im ein ganz klein wenig zu straffen schwarzen Mini, exotische Cocktails. Der Gatte lässt sich nicht lumpen, bestellt neugierig „Sex on the beach“, es soll ein unvergesslicher Abend werden, ein wenig abseits des Alltags. Barbara Kuster mit einem Headset-Mikro am Kopf wie eine Sekretärin beim Dauerstenotypieren, hält die in sie gesetzten Erwartungen. Es biegen sich bei ihrem Programm gewiss nicht die Planken des Theaterschiffs, aber den vielleicht 15 Lebensgemeinschaften, die an Kabarettunterzuckerung leiden, gibt sie Zückerchen. Es wird gelacht. Kuster ist hart im Nehmen. Sie ist eine ausgesprochen passable Sängerin, Rockröhre, auch Chansonette. Daher ist ihr Programm um ihre Liedeinlagen geschrieben, die beginnen, wenn die Konservenmusik eingespielt wird. Aber das Volk will Witz, und deswegen plappert Kuster darauf los, von ihrem Mann Jens-Rainer, genannt „Dschey-Ahr“, nach dem Fiesling aus Dallas, J.R. Ewing, dem Geschäftsführer des SPD Unterbezirks Potsdam. „Ich mache Kabarett, er Realsatire.“ Sie, die skrupellose Spinnenmörderin, er der orientierungslose Weichling, der es nicht schafft, den Keller aufzuräumen, sich aber für den Weltfrieden engagiert. Barbara Kusters Leiden einer Hausfrau im Brandenburgischen besitzt einen hohen Identifikationswert für das Publikum. Die musikalische Einlage „Welcome to the bodyfight – für Kopfarbeit bleibt heute keine Zeit“ ist eine Parodie auf den Fitnesskult. Kuster reckt und streckt sich auf der Bühne wie ein Bodybuilder. „Das war mal ein Vortrag mit der mir innewohnenden kraftvollen Liedgestaltung“, kommentiert die Kabarettistin zu Recht mit Selbstbewusstsein. Vortrag peppig, Text und Inhalt aus der Mottenkiste. Manche Beiträge wirken sogar zeitlos: der „DDR Kampfsportanzug“ mit dem sie sich in Italien am Hotelpool Respekt verschafft, und bei ihr ein „wohliges Gefühl des Andersseins erzeugt“ („Herrlich!“ jubelt es da rückbesinnlich aus dem Publikum), saß auch schon früher misslich. Und lauwarm-kaltkriegerisch-staubig-spießig auch die Scherze über Italiener, alle „Spaghetti gedopt“, flüstern Amore ins Ohr wie Sirup und ihre Insel wäre auch nur halb. Kuster bedient Kleinstbürgerfantasien und -ängste, man glaubt sich in den 50ern. In Musikkanälen wie VIVA oder MTV würde „gehechelt und gestöhnt“, ein „hormoneller Frontalangriff“, das Finanzamt nimmt einem das ganze Geld ab und bei der Parkplatzsuche kann man zum „Rammstein“ werden. Und Ehemänner sind sowieso zu nichts zu gebrauchen. So einfältig ist die Welt. Wer schreibt ein zeitgemäßes Programm für diese vergeudete Stimme?Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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