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Kultur: Gitarre und Trompete

Phoebe Kreutz aus New York im „nachtboulevard“

Stand:

In der ersten Reihe sitzt ein junger Mann, der aus dem Lachen nicht mehr herauszukommen scheint. Ein wenig neidisch macht das schon.

Scheint doch bei den Songs, die die New Yorkerin Phoebe Kreutz am Wochenende mit nach Potsdam in den Saal des „nachtboulevards“ gebracht hatte, sehr viel über den Text zu laufen, dessen Slapstick und Hintersinnigkeit sich nur dem erschließt, der über ausreichende Englischkenntnisse verfügt. Und gut dass es die modernen Medien gibt und die Künstlerin über eine umfassende Webadresse verfügt, die das Nachlesen der Songtexte möglich macht.

Aber Hinterher ist nicht Vorher und so bleibt dieser Abend für die knapp drei Dutzend Gäste erst einmal mehr oder weniger komisch und muss sich beinahe vollständig über die Musikalität der jungen Künstlerin entfalten. Und die ist wirklich ein Hinhörer. Nicht, weil sie technisch so brilliant und stimmgewaltig daherkommt. Eher weil die New Yorkerin das genaue Gegenteil performt. Immer wieder liegt sie dezent neben dem Ton, während sie von ihrem Hintern oder der Liebe zu einem Tacoverkäufer singt, der ihre Darmflora durcheinanderbringt. Verlegen beißt sie sich auf die Lippen oder schaut unsicher an die Decke oder auf den Boden, während sie so augenscheinlichen Nonens zum Besten gibt.

Das verleiht dem Konzert stark den Touch eines offiziellen Vorsingens, bei dem Lampenfieber und Verunsicherung an der Tagesordnung stehen. Phoebe Kreutz, Emmy-Preisträgerin, bekannt geworden als Puppenbeauftragte der Sesamstraße, außerdem wichtige Komponente in der Antifolkszene New Yorks, beweist also nicht nur in ihren Texten Sinn für Humor, sondern überträgt deren ironischen Anstrich auch auf ihre Darbietung. Die bestreitet sie übrigens, sich selbst auf der Gitarre begleitend, nicht den gesamten Abend als Solokünstlerin.

Rechts vor der Bühne sitzt ganz allein ein schlaksiger, bebrillter junger Mann, von dem sich plötzlich herausstellt, dass er Phoebes angekündigte Begleitung Matt Colbourn ist. Darum also die einsame Trompete auf der Bühne! Sie ist das Instrument, das im Wechsel mit Matts Stimme im zweiten Teil des Abends die Show abrunden wird zu einem gewitzten, minimalistischen Hörerlebnis. Gitarre und Trompete! Was für ein spannendes, ungewöhnliches Duo! Aber es passt punktgenau und unterstreicht den Hang ihrer Interpreten zu Verspieltheit und Probierlust. Auch die Stimmen im Duett harmonieren hervorragend und unterstreichen wieder einmal die Tatsache, dass Klein ganz oft Fein bedeutet und gute Qualität nicht immer Aufwand braucht. Die Quintessenz des Abends also schon?

Noch nicht ganz. Hier ein paar weitere: Die Biersorte Potsdamer Stange hat definitiv einen neuen Fan – Phoebe Kreutz war völlig hingerissen! In Berlin ein Konzert zu geben kann anstrengend sein. Dort spielte die New Yorkerin vor einhundert Fans und war völlig erschöpft, ruht sich jetzt in Potsdam vor weit weniger Konzertbesuchern aus, genießt das Licht und dieTechnik und staunt über sich selbst, redet sie doch nie sehr viel bei ihren Konzerten. Hier springt sie über ihren Schatten, vielleicht doch ein wenig verlegen, weil sie vorn auf der Bühne steht und sich ein wenig in das Publikum wünscht, um ganz relaxt die Show zu genießen. Aber einer muss ja der Star sein! Andrea Schneider

Andrea Schneider

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