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Kultur: Glanzlose Klangattacken

Vierhändiges Klavierspiel in der Französischen Kirche bei den Havelländischen Musikfestspielen

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„Auch kleine Dinge können uns entzücken“ Wer wollte ernsthaft dem Goetheschen Dichterwort widersprechen?! Am wenigsten die Havelländischen Musikfestspiele, die sich auch in ihrem mittlerweile elften Jahrgang hauptsächlich der Klavier- und Kammermusik zuwenden. Als Spielstätten haben sie sich vorrangig Schlösser und Gutshäuser, aber auch medizinische Einrichtungen, Hotels oder andere geeignete Orte auserkoren. Wie beispielsweise die Französische Kirche Potsdam, deren schlichte Schönheit die Veranstalter begeisterte und man den Ort fortan für erlesene Konzertprogramme zu nutzen gedachte. Außerdem, sagten sich die Havelländer, könne ein Standbein in der Landesmetropole ja nie schaden. Und so kamen Potsdams Liebhaber der kleinen Form am Samstagabend in den Genuss eines reizvollen Programms für Klavier zu vier Händen.

Als Spielgemeinschaft haben sich die Spanierin Pilar Valero und der Belgier Yves Robbe zusammengefunden, die gut miteinander harmonieren, was wichtig ist, wenn man dicht an dicht auf einem Klavierhocker sitzen und auf der Klaviatur in wechselnden Handformationen mit zum Teil kniffligen Unter- und Übergriffen arbeiten muss – ohne sich dabei ins Gehege zu kommen. Das Publikum umsitzt die beiden Tastateure im Halbkreis, zentral steht ein Bechstein-Flügel. Im Verlauf des Abends wird sich seine genaue Intonation ein wenig ins Ungefähre verändert haben, was an dem kraftvollen Umgang der Spieler mit ihm liegt.

Den Auftakt bilden drei „Stücke in Birnenform“ von Eric Satie, deren Titel ironisches Resultat jener zeitweiligen Bemühungen von Claude Debussy sind, dem dilettierenden Freund auf Zeit ein wenig klassisches Formbewusstsein beizubringen. Allerdings ohne Erfolg, und so setzt Satie auch in den Birnenstücken Klänge einfach anders zusammen als es die Regeln erlauben. Vieles, wie parallel laufende Drei- und Vierklänge oder zu einer Melodie unpassende Bässe, macht den Kenner stutzig, den Laien aber vergnüglich. Mal hat der eine Spieler die Hälfte der Klaviatur für sich, dann der andere. Zweieinhalbhändig geht aber auch. Kräftig und hart ist ihr Anschlag, direkt und voluminös der Klang. Oft herrschen perkussive Tastenarbeiten vor, schwingen Klänge wie Glocken: undifferenziert, eintönig. So ähnlich bearbeiten die zwanzig Finger von Valero/Robbe auch Mozarts vierhändige D-Dur-Sonate KV 381, wobei mitunter der Eindruck entsteht, als sei eine Dampframme am Werk. Man liebt das Forte und Forsche, meidet weitgehend Eleganz, Charme und Nuancierungen. Schade, dass bei solchen „Abrissarbeiten“ auch das Andante mit all seiner Zartheit und melodiösen Innigkeit leidet.

Dvoraks beliebten Slawischen Tänzen Nr. 2 und Nr. 8 op. 46 ergeht es ähnlich. Bei solcher klangspröden und hämmernden Spielweise suchen pianistisches Feingefühl und Poesie das Weite. So bleibt es bei reiner Notenbuchstabiererei, einem Spiel ohne Wärme und einer Aktion „Fleischwolf“ – durch den alle Komponisten gedreht werden. Bei der Reise durch Stile und Zeiten lernt man auch noch Zeitgenössisches kennen: „Kamalalam II“ von Domènec Gonzales de la Rubia (geb. 1964). Motorische Aktionen und donnernde Oktavgänge bestimmen das Geschehen. Zum Schluss wuchten beide ihre Unterarme auf die Klaviatur. Letzteres widerfährt Liszts „Les Préludes“ erfreulicherweise nicht, doch statt Poesie und dynamischer Feinmotorik gibt es immer wieder die Fortissimoattacke, stören merkwürdige Resonanzschwingungen das Ohr. Beifall, eine Zugabe.Peter Buske

Peter Buske

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