Kultur: Glanzvolle Liaison
Sinfoniekonzert für Orgel und Orchester in der Friedenskirche
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Sinfoniekonzert für Orgel und Orchester in der Friedenskirche „Überhaupt soll das Orgelspiel nichts Leidenschaftliches haben, sondern Ruhe und Andacht athmen“, lautet einer der „Grundsätze für das kirchliche Orgelspiel“ anno 1870. Ein anderer: „Aller gesuchte Zierrath, Läufe, Coloraturen, Passagen und andere nicht passende Modulationen müssen gänzlich vermieden werden.“ Unbeeindruckt davon lässt KMD Matthias Jacob beim „Sinfoniekonzert für Orgel und Orchester“ das Woehl-Instrument der Friedenskirche nach allen Regeln der Spielkunst jubilieren und sinnieren. Unterstützung erfährt er durch das Orchester des Landestheaters Halle unter der Leitung von Wolfgang Kupke. Als gelernter Organist, nunmehriger Rektor und Professor für Dirigieren an der Ev. Kirchenmusikschule in Halle/Saale,weiß er natürlich um die Erfordernisse beider Metiers. Ihren Spielplatz haben die Musiker unter der Empore gefunden, so kann das zahlreich erschienene Publikum mit der neuen Orgel in Blickkontakt treten. Doch wie halten es Organist und Dirigent mit der Verständigung, die sonst über einen Spiegel erfolgt? Matthias Jacob trägt während seines Vortrags einen Kopfhörer, lässt sich sicherlich den Orchesterpart in die Gehörgänge ventilieren. Doch Spieleinsätze erhält er dadurch auch nicht. Wie machen die das bloß?, mag sich mancher fragen. Die Antwort gibt das perfekt abgestimmte, präzis ausbalancierte, herrlich gelöste Musizieren aller Beteiligten. Es ist eine Ohrenwonne. Das aparte g-Moll-Konzert für Orgel, Streicher und Pauken von Francis Poulenc (1899-1963) verlangt nach einem farbenprächtigen Klang, dem sich das Soloinstrument aus vollen Lungen heraus als wirkungsvolles Blasinstrument gegenüberstellt. Diesen Kontrast kostet Jacob genüsslich aus. Damit die hingeschleuderten, sich dissonanzenreich aufschichtenden Akkordblöcke einen nicht erschlagen, folgen ihnen ruhig fließende Linien. Die thematische Erörterungen und Betrachtungen zwischen Orchester und Organist führen zu innigen Gesprächen, bei denen sich letzterer keinen Registrierexperimenten hingibt. Nach dem Übergang zum motorisch auftrumpfenden Allegro zieht er nunmehr zungenstimmenreiche Register. Die Streicher mischen ihren seidig glänzenden Klang hinzu, erweisen sich als flexibel reagierende, sehr anpassungsfähige Partner. Zum Schluss finden sich alle in der gassenhauerischen Toccata wieder. Orchesterschmiss und Orgelbravour bestimmen auch die Wiedergabe der romantisch geprägten 1. Symphonie für Orgel und Orchester d-Moll op. 42 von Felix Alexandre Guilmant (1837-1911). Die „Königin“ tritt zwar solistisch in Erscheinung, aber in keinen vordergründigen Wettstreit. Sie mischt ihren virtuos erzeugten Farbenreichtum dem des Orchesters zu, so dass man bei Bläserstimmen oft nicht weiß, wer sie eigentlich erzeugt. Fantasiereich registrierend, führt Matthias Jacob das Stück in sein motorisches, im glanzvollen Pathos schwelgendes Finale. Die Liaison mit dem Orchester überzeugt. In seinen eigenen Beiträgen erweist es sich als ein geschmeidiges, für filigrane Klänge sensibilisiertes Orchester. Freundlich und spiellaunig breiten die Musiker Mendelssohn Bartholdys „Hebriden“-Ouvertüre aus. Fern aller knalligen Effekte spielen sie eine kraftvoll dramatisierte, innig singende, lieblich schwelgende, sehr differenziert ausgehörte Schubertsche „Unvollendete“. Eine erwärmende und feinsinnige Seelenbeschau. Die Hallenser Gäste und Matthias Jacob werden ausgiebig gefeiert.Peter Buske
Peter Buske
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