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Gangsterbraut und Mutter „Cinéma Privé“ im Filmmuseum: „Gloria“ von John Cassavetes – der Lieblingsfilm von Jenny Schily

Eigentlich ist es für Jenny Schily unmöglich, auf die Frage nach einem privaten Lieblingsfilm zu antworten. Wenn die Schauspielerin darüber nachdenkt, fallen ihr mindestens 50 Filme ein.

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Eigentlich ist es für Jenny Schily unmöglich, auf die Frage nach einem privaten Lieblingsfilm zu antworten. Wenn die Schauspielerin darüber nachdenkt, fallen ihr mindestens 50 Filme ein. Doch „Gloria“, mit der großartigen Gena Rowlands in der Hauptrolle, war eine spontane Entscheidung. Als junge Frau hatte Jenny Schily der Film sehr beeindruckt. Dass sie jetzt feststellen musste, wie viele Freunde – auch ihrer Generation oder älter – den 1980 entstandenen Film von John Cassavetes und selbst den Schauspielstar Gena Rowlands nicht kennen, hat sie etwas erschreckt. Und richtig: Eine Stichprobe ergibt, dass auch mehr als zwei Drittel des „Cinéma privé“-Publikums am Freitagabend im Filmmuseum zum ersten Mal dem abseits des Hollywood-Mainstreams stehenden Meisterwerk auf der Leinwand begegnen.

Weil sie gerade vor der Tür steht, um etwas Kaffee von den befreundeten Nachbarn zu borgen, wird Gloria, einer gealterten einstigen Mafiabraut, der sechsjährige Phil anvertraut – kurz bevor seine Eltern von Gangstern umgebracht werden. Da Phil ein Buch mit für die Mafiabosse hochgefährlichen Informationen besitzt, setzten Glorias ehemalige Freunde alles daran, ihn aufzuspüren. Eigentlich hasst Gloria Kinder, und der Junge ist ihr lästig. Dennoch übernimmt sie die Verantwortung für ihn. Gemeinsam fliehen sie und werden gejagt – durch ein schäbiges, verfallendes New York.

„Gloria“, der sechste Film, den der amerikanische Regisseur und Schauspieler John Cassavetes mit seiner Ehefrau Gena Rowlands drehte, ist einer seiner erfolgreichsten. Auch mehr als drei Jahrzehnte nach seiner Entstehung hat der atemberaubende Streifen – Actionfilm, Charakterstudie und Chronik einer ungewöhnlichen Beziehung – mit einer umwerfend intensiven Gena Rowlands nichts von seiner Faszination verloren.

Ja, die Rolle der Gloria würde sie sehr gern spielen, sagt die Schauspielerin. Die Figur reize sie vor allem, weil sie so vieles vereine: die Ex-Gangsterbraut, die wild mit der Pistole herumballert, um die Männer im Schach zu halten, die aber auch wider Willen zur Mutter eines kleinen Jungen wird, der nicht ihrer ist. Auch wie John Cassavetes „in Familie“ zu arbeiten – also immer mit den gleichen vertrauten Menschen, zu denen nicht nur Familienmitglieder wie Gena Rowlands, sondern auch Freunde und frühere Kollegen wie Peter Falk zählten –, gehört zu Jenny Schilys beruflichen Wünschen. An der Theaterarbeit schätzt sie diese Kontinuität sehr.

Auf ihren Vater, den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily, oft angesprochen zu werden, stört die aparte, feinnervig wirkende Frau im Prinzip nicht. Nur manchmal findet sie es ermüdend, immer die Tochter zu sein – vor allem, da sie aus dem Alter einer Tochter doch schon einige Jahre rausgewachsen sei. Und ebenso wenig wie ihr Vater gibt auch Jenny Schily in Gesprächen Privatismen preis. Gerade für sie als Schauspielerin müsse es einen Raum geben, der ihr gehört, den sie schützt.  

Vor ihrer Schauspielausbildung hat Jenny Schily zwei Semester Slawistik – Russisch – studiert. Auch wenn die Sprachkenntnisse völlig verschüttet seien, schwärmt sie heute noch davon, wie viel sie dank eines begnadeten Sprachlehrers damals in kurzer Zeit lernen konnte.

„Gloria“ gewann 1980 gemeinsam mit „Atlantic City“ von Louis Malle den „Goldenen Löwen“ in Venedig, Gena Rowlands wurde für den Oscar der besten Hauptdarstellerin nominiert. Auch Jenny Schily hätte für diesen Abend im Filmmuseum einen Preis verdient: den Preis der Sympathie. Gabriele Zellmann

Gabriele Zellmann

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