Kultur: Goethes Sizilien
Dolce Vita in der Stadt-und Landesbibliothek / Fotografien von Christel Wollmann-Fiedler
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Schon als man am Freitagabend den Lesesaal betrat, schoben sich heitere Violinklänge von Johan Andreas Amon ins Ohr. Musikalisch begleitet wurde die Reise durch „Goethes Sizilien“ von den beiden Violinistinnen Daniela Pieper und Wenke Volkmann, die den unbekannteren Amon und später auch Bach interpretierten.
Die Stadt- und Landesbibliothek hatte gemeinsam mit dem Verein Il Ponte ein sinnliches Sträußchen geschnürt, um den vielen Besuchern „Goethe in Sizilien“ näher zu bringen. Anlass boten der 175. Todestag des großen Dichters und die Fotografien von Christel Wollmann-Fiedler, die auf den Spuren Goethes Sizilien erkundete und Fotografien mitbrachte, die, wie Laudatorin Lonny Neumann sagte, den „elenden Zustand der Welt vergessen lassen“. Insbesondere wohltuend fand Lonny Neumann die Tatsache, dass die Fotos alle in Schwarz-Weiß aufgenommen seien und dennoch den roten Lavastein empfinden ließen. Tatsächlich sind auf vielen Fotos, die nach Zitaten Goethes aufgenommen wurden, Steine, Geröll und Muschelkalk zu sehen. Die eigenartige Bodenbelagerung Siziliens, die durch den immer mal wieder speienden Ätna geprägt ist, steht häufig im Fokus von Wollmann-Fiedler, Geröll in unterschiedlichen Grautönen lässt eine Ahnung davon aufkommen, wie die sizilianische Atmosphäre ist. Natürlich gibt es da auch Tempel, die auf den Bildern selten die Hauptrolle spielen, sondern einen Feldrain dominieren, es gibt auch Kühe, die unabhängig voneinander wie zufällig auf dem Spielbrett hinterlassene Steine auf der kargen Wiese stehen, während im Hintergrund ein Steinhaus zerfällt. Der Ölbaum bewacht eifersüchtig seinen Kreis, in den die Früchte fallen werden, und der Muschelkalkfelsen hinter ihm sieht aus, also ob er ein Gespenst wäre.
Menschen gibt es auf den Fotografien keine zu sehen, allerdings mehrere steingefertigte Tierköpfe, die aus einer Brunnenumrandung hervorlugen. Diese hat Goethe in einem seiner köstlichen, direkten und in das Geschehen auf Sizilien hineinziehenden Brief beschrieben. Klaus Büstrin, der „stadtbekannt“ sei, wie Marion Mattekat von der Bibliothek ihn eingangs vorstellte, hat sich die Mühe gemacht und aus der Italienreise Goethes einige sizilianische Stellen herausgesucht, um sie bei der Ausstellungseröffnung süffisant vorzutragen. Vor zweihundertzwanzig Jahren langte der Autor des Werther mit dem Schiff in Palermo an. „Hat man sich noch nicht vom Meer umgeben gesehen, so hat man keinen Begriff von Welt“, fasste er, jegliche Bescheidenheit meidend, die Tragweite seiner Reise in Worte. Goethe ärgerte sich über Fremdenführer, die mit der kriegerischen Vergangenheit angaben, und er berichtete ein wenig von oben herab über die ungebildeten Bildhauer Siziliens, die zwar munter vor sich hin arbeiteten, aber eigentlich keinen Geschmack und Stilbildung besäßen. Sie haben eine natürliche Fähigkeit, Dinge nachzuahmen, beschied er, und die Kunstfreude beschränke sich darauf, die Ähnlichkeit zwischen dem Vorbild und der Imitation festzustellen.
Ganz besonders heiter wurde den Zuhörern zumute, als Klaus Büstrin alias Goethe beschrieb, wie er mit einem Ladenbesitzer über die „Unreinlichkeiten eurer Stadt“ diskutierte. Der Dichter und Reisende machte darauf aufmerksam, dass selbst in Neapel der Kehricht auf das Feld getragen würde, hier aber käme mit jedem Windstoß der Staub und Unrat wieder in die Buden geflogen. „Es ist nun einmal wie es ist“, beschied der Angesprochene lässig und gab zu bedenken, dass, wenn es wirklich alles sauber wäre, man erkennen könnte, wie schlecht das Pflaster unter all dem Dreck sei. Goethe freute sich daraufhin, dass der „Mensch immer noch Humor genug habe, um sich über das Unabwendbare lustig zu machen“ und er selbst machte sich noch ein bisschen lustig über die schlechte Qualität des dortigen Weins. Das würde man heute wohl nicht mehr wagen. Aber jemand, der den „Werther“ geschrieben hat, darf eigentlich alles. Auch dort, wo die Zitronen blühen. Lore Bardens
Lore Bardens
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