zum Hauptinhalt

Kultur: Gondoliere im Garten

Venezianische Nacht an der Friedenskirche

Stand:

Wenn in Venedig die Abendsonne dem trüben Wasser der Kanäle ein Glitzern aufhaucht, in den Restaurants die Kerzen angezündet werden und die Flaneure sich langsam zum Essen einfinden, dann entsteht auch im Alltag jene stille Erhabenheit, die die Musikfestspiele am Samstag für einen Abend nach Sanssouci holen wollten. Sie wählten dafür einen der venezianischsten Orte Potsdams: die von Wasser umgebene Friedenskirche.

Ein junger Kater schien hier die Regie übernommen zu haben. Mit elegantem Schritt inspizierte er die Arkaden des Kreuzgangs, kontrollierte die Standfestigkeit der Kandelaber auf den marmornen Tischen, hielt sich dann aber dezent hinter einer Säule zurück, als eine Menschentraube die letzten, durch die Rundbögen brechenden Sonnestrahlen aufzufangen suchte. In das Plätschern der Brunnen mischten sich alsbald die Klänge der auf historischen Instrumenten musizierten Kompositionen von Salomone Rossi und Biagio Marini. Schwalben segelten über die Köpfe des Quartetts von Geiger Wolfgang Hassleder, das sich daran nicht störte. Alles wirkte entspannt und friedlich, fast meditativ, wie auch die Motetten und Psalmvertonungen von Antonio Lotti und Claudio Monteverdi, die der Vocalkreis Potsdam in der Kirche sang.

Als es vom Campanile zur achten Stunde schlug, versammelten sich die Gäste im Platanen-Hain, wo Schauspielerin Esther Linkenbach unernste Betrachtungen der Amerikanerin Donna Leon über Venedigs Menschen, ihre Musik und die Müllabfuhr vortrug. Just in jenem Moment, als sie die vierte von „Sieben Warnungen für den Opernbesuch“ aussprach, die den Bühneneinsatz lebendiger Tiere betraf, stolzierte der Regie-Kater auf die Lesende zu, um auch hier nach dem Rechten zu schauen.

Wer ihm folgte, gelangte in den Marlygarten, dessen verzweigtes Wegenetz man sich als Venedigs Wasserstraßen vorzustellen hatte, um den herzigen Canzonetten des Gondoliere George Frederick Takis zu lauschen: „''O sole mio!“

Die vom Tenor so inbrünstig besungene Sonne jedoch war längst hinter den Bäumen verschwunden. Feuchte stieg aus den Wiesen und die Gäste wanderten zurück unter die schützenden Arkaden. Zu venezianischen Bläsermusiken mit den Potsdamer Turmbläsern konnte man sich hier an frisch zubereiteter Pasta erwärmen, um schließlich dem Höhepunkt des Abends, der halbszenischen Aufführung von „Venezia delle strade a i Palazzi“ in der von Kerzen erleuchteten Friedenskirche zuzuströmen. Das Ensemble „Le Poème Harmonique“ führte mit der Musik Claudio Monteverdis und Francesco Manellis in die verwinkelten Gassen und die herrschaftlichen Paläste des Venedigs im 17. Jahrhundert. Mit barocker Gestik ließen die Sänger Alltägliches und Amouröses, Szenen des Karnevals und der Oper leicht und anmutig ineinander fließen. Draußen war unterdessen ein blasser Mond aufgegangen. Die auf dem Friedensteich schwimmenden Kerzen ersetzten den fehlenden Sternenhimmel. Und wer genau hinsah, entdeckte im Dunkeln zwei glühende Katzenaugen. Antje Horn-Conrad

Antje Horn-Conrad

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })