Kultur: Goth’n Roller Die Letzte Instanz
in der Waschhaus Arena
Stand:
Die „Letzte Instanz“ wollen sie sein, die, nach der nichts mehr kommt. Viele sind wohl noch nicht bereit, sich dieser letzten Station zu stellen, denn der Saal der Waschhaus Arena ist nicht einmal halb gefüllt, als die gleichnamige Band am vergangenen Samstag dort zum Tanz aufspielt.
Der Stimmung allerdings tut das keinen Abbruch. Mann und Frau rückt ganz bis vor an den Bühnenrand, um den augenscheinlich sehr verehrten Goth’n Rollern nah zu sein. Dort gibt es gereckte Fäuste, extatisch-versunkenes Mitsingen und eine sich gleichförmig wiegende Menge Fans, die überwiegend in Schwarz gekleidet erschienen ist, mit schweren Stiefeln und dichten Bärten. Freunde der Band, deren Altersstruktur darauf schließen lässt, das sie mitgewachsen waren in den neun Jahren Bandgeschichte.
Die erwies sich als sehr bewegt, hatte es doch 2006 an der Front der sieben Musiker einen Personalwechsel gegeben, der gleichzeitig auch der Schritt in eine musikalisch offenere Richtung war. Gab es bis dahin viel Schminke und Kostüm auf der Bühne zu sehen und waren die Texte eher düster und mythisch, so hielt mit neuem Frontmann Holly plötzlich mehr und mehr eine Mischung aus Pop, Folk, Klassik und vor allem Rock Einzug.
Was blieb, ist die Instrumentalisierung. Nach wie vor sind es vor allem die Streicher, die der Musik ihren Charakter geben, und M. Stoltz an der Geige ist tatsächlich ein Tausendsassa, ein Wirbelwind und in seiner Art einer, der sehr an den Gaukler aus dem Mittelalter erinnert. Doch Mittelaltermusik machen die Jungs nicht mehr. Ihre Schiene ist die Klassik der Romantik, und Benni Cellini am Cello leistet einen großen Beitrag, um die Musik der Instanz mit eben jenem Anstrich zu versehen, wie bei dem Song „Rapunzel“.
Ansonsten bleibt es beinahe poppig an diesem Abend. Die Texte der Band muss man mögen. In erster Linie verarbeiten Songwriter und Gitarrist Oli und Geiger Herr Stoltz persönliche Erfahrungen. „Für dich“, „Flucht ins Glück“ oder „Ohne dich“ sind textlich gesehen nicht der ganz große Wurf und streckenweise wird es direkt plüschig auf der Bühne. Da bieten „Atme“, „Unsichtbar“ oder „Schlaf, schlaf“ vom neuen Album „Heilig“ schon etwas mehr Kontrast, hauen die Schwermetaller hier doch ordentlich in die Saiten.
Und wenn dann Holly D. an der Gitarre durch seine sehr männlichkeitsbetonte, etwas aggressive Gestik das Publikum noch so richtig anheizt, dann ist der Stimmungshöhepunkt erreicht. Dann werden, wieder einmal, gemeinsam Fäuste gereckt, und der jetzt halbnackte Frontmann dirigiert sein Publikum, lässt es niederknien, Feuerzeuge zücken oder einzelne Textpassagen selbst singen. Kein Wunder, dass die Band nur schwer ein Ende findet, aber irgendwann ist alles einmal vorbei. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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