Kultur: Gradlinig und fantasielos
Kammermusik am Ostermontag in der Klein-Glienicker Kapelle
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Kammermusik am Ostermontag in der Klein-Glienicker Kapelle Eintritt wird nicht erhoben, nur eine Kollekte am Ausgang erbeten. Zudem treten die Künstler beim Ostermontagskonzert in der Klein-Glienicker Kapelle honorarfrei auf. Sicherlich nicht ohne Hintersinn, denn wer bei seinem öffentlichen Auftritt kein Geld verlangt, hofft auf eine gnädige Betrachtung des Gebotenen. Dennoch kann und darf die Stimme der Kritik nicht verschweigen, wie sie es zu bekommt. Fröhlich soll stimmen, was die größtenteils dem Barock entstammenden Stücke für zwei Violinen und/oder Orgel zum Ausdruck bringen wollen. Doch was in dieser Kombination erklingt, ist keinesfalls die originale Besetzung. Beispielsweise handelt es sich bei dem als Triosonate III G-Dur für zwei Violinen und Orgel annoncierten Stück um die Sonate für Querflöte, Violine und Continuo BWV 1038. Ein Verweis auf die Bearbeitung fehlt. Ob die Triosonate F-Dur op. 1 Nr. 1 von Arcangelo Corelli nach diesen drei und keinen anderen Instrumenten verlangt? Laut Titelblatt des Notendrucks von 1681 tut sie es tatsächlich. Melinda und Johannes Watzel (Mitglieder des Orchesters der Komischen Oper bzw. des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin) lieben das gradlinige, glanzlose und wenig geschmeidige Spiel sowie einen voluminösen, kraftvollen und etwas scharfgetönten Saitenklang. Als Generalbassinstrument liefert die Orgel nicht mehr als Stützakkorde. An ihr sitzt Ulrich Eckardt, ein Hobbyorganist. Der diplomierte Jurist und einstige langjährige Intendant der Berliner Festspiele erhält in jungen Jahren den obligatorischen Klavierunterricht, lehrt heute Kultur- und Medienmanagement an der Freien Universität Berlin. In ein leidlich überzeugendes Orgel- und Begleitspiel muss er sich jedoch noch einfuchsen. Er wirkt gestalterisch wenig souverän, rhythmisch unsicher und in der Wahl der Register nicht immer stilkundig. Die Zungenstimmen meidet er in Gänze, dafür liebt er das Hellstimmige: die Mixtur, die Rohrflöte, die Zweifuß-Quinte. Johann Sebastian Bachs Concerto D-Dur für Orgel solo BWV 972 (nach Vivaldi) kommt rasch und notenbuchstabiert daher, ebenso die G-Dur-Sonate für Violine und Orgel BWV 1019. Im Adagio klingen die Diskantlagen beider Instrumente durch die Wahl eines unpassenden Orgelregisters reichlich „schräg“ zusammen. Man spielt Noten vom Blatt und hat von Bach eine sehr mathematische Auffassung. Endlich ist bei der Wiedergabe von Bachs Triosonate III G-Dur ein wenig die klangliche Härte aus dem Spiel genommen, zeigt sich – bei aller glasklaren Kontur der Geigen – zaghaft ein seelenfrohes Frühlingserwachen. Dabei beschränkt sich die Orgel auf ihre akkordstützende Begleitung. Zuvor kann sie bei Beethovens „Fünf Stücken für die Flötenuhr" mit zahlreichem Zimbelsterngeklingel und anderen Effekten aufwarten. Die Gelegenheitsarbeit des Meisters für den Grafen Deym in Wien imitiert Jahrmarktstreiben, betont den Charakter von Spieluhrautomaten – dideldum-schrumms-schrumms. Was zu witzig-pointiertem Spiel geradezu herausfordert, wird von Ulrich Eckard leider fantasielos artikuliert und ohne Pfiff phrasiert. Jedem nach seiner Leistung: über die Höhe der Kollekte darf gerätselt werden.Peter Buske
Peter Buske
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