zum Hauptinhalt

Kultur: Gras drüber

Die Schiffbauergasse wird ihr Publikum schon finden

Stand:

Rund 50 Millionen Euro hat die Sanierung der Schiffbauergasse gekostet. Die Kultur gibt sich geballt an diesem Ort. Doch trotz der schönen Fassaden, Potsdams Vorzeigekulturstandort steht seit Jahren in der Kritik. Zu wenig Geld für die Inhalte, zu wenig Leben in der Schiffbauergasse. Manche reden sogar davon, dass der Standort totsaniert wurde. Alles übertrieben oder doch leider wahr? In den PNN vom 1. August haben vier Redakteure unter der Überschrift „Noch Leben in der Gasse?“ ihre Sicht zur Lage in der Schiffbauergasse dargestellt. Nun wollen wir in den kommenden Wochen nicht nur Künstler unter dem Motto „Was wünsche ich der Schiffbauergasse“ zu Wort kommen lassen. Auch PNN-Leser sollen sich an der Diskussion unter www.pnn.de oder an leserpost@pnn.de beteiligen.

Heute: Henrik Röder

Es braucht Zeit. Die Stadt wandelt sich. Man kann meckern, loben oder sich komplett abwenden. Alles ist möglich. Schönes Theater, hässliches Parkhaus, spärlich umhertrollende Besucher, seltsames Fluxusmuseum. Aber ein schöner Blick aufs Wasser.

Viel Geld ist in die Schiffbauergasse geflossen. Und wie glücklich waren die lokalen Kulturpolitiker, 50 Millionen Euro überhaupt zusammenzubekommen, um sie in Materie zu verwandeln. Wie so oft wussten alle Beteiligten vorher schon von der dunklen Seite dieser Investition: dem Fehlen der Gelder, um die Materie zu beleben, sprich Programmgelder, Gehälter, Honorare, Energiekosten etc. Hätte man nur ein Fünftel der Bausumme dafür abgezweigt, würde der Laden zehn lange Jahre laufen können. Aber das sind förderpolitische Illusionen, die in der Wirtschaftskrise zu ernsthaften Änderungen führen müssten.

Alles ist fertig, aber nun beklagt man die fehlenden Besucher, vor allem die jungen. Seit Jahren wird der Begriff Soziokultur wie eine Monstranz herumgetragen. Und eigentlich weiß doch niemand, was das ist. Sozialarbeit und Kunst in einem, oder was? Jeder darf, der will. Aber künstlerische Qualität hat nichts mit Herkunft und Alter zu tun.

Man vermisst die Jugendlichen auf dem Areal. Na und! Die gehen woanders hin. Solange sie nicht in den Dschihad ziehen, auch gut. Schaffen sich eigene Räume, sind nicht interessiert am Fertigen, am bloßen Konsum des Servierten. Ewige, zu dick geratene Jugendfunktionäre planen zu allem Überfluss gleich noch ein Jugendfreizeitzentrum, wo sie dann wie die Spinne im Netz auf Kundschaft warten, die aber nicht kommen wird. Die Verwaltung hat sich nun mal für die Schiffbauergasse entschieden und das Gejammer wäre gleich groß, hätte sie es nicht getan. Jetzt muss buchstäblich Gras über das Areal wachsen und das Programm von Waschhaus & Co. sich entwickeln können. Und wenn es die Jungen nicht mögen, sollen eben die Älteren kommen, die Mitvierziger, die Sechzigjährigen. Die Demographie verändert schließlich alles.

Hendrik Röder leitet das Brandenburgischen Literaturbüro und veranstaltet regelmäßig Lesungen in der Schiffbauergasse

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })