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Kultur: Grenzenlos

Rastrelli Cello Quartett im Nikolaisaal

Stand:

Manchmal reicht ein Lied, um zu überzeugen. Ein paar Minuten Musik, die alles sagen können über einen Künstler. Dann stellt sich dieses Gefühl ein, dieses Drängen, das Konzert zu verlassen, obwohl es noch lange nicht zu Ende ist. Denn jedes weitere Lied birgt die Gefahr, schlechter zu sein und den Moment der Überzeugung zu zerstören. Und doch bleibt man sitzen, denn jedes weitere Lied birgt auch die Möglichkeit, diesen gewissen Moment noch einmal zu erleben.

Für dieses Drängen, das Konzert früher zu verlassen, sorgte am Sonntag das Rastrelli Cello Quartett schon mit dem ersten Stück. Das Foyer im Nikolaisaal war ausverkauft, „Cello ohne Grenzen“ versprach das Programm. Grenzenlos was die zeitliche und geographische Dimension aber auch die der Stile betraf. War der erste Teil der klassischen Literatur gewidmet, gehörte der zweite vor allem dem Jazz.

Mit einer Toccata des Italieners Girolamo Frescobaldi eröffneten die vier Musiker das Konzert. Und in diesem barocken Kleinod, von Frescobaldi ursprünglich für die Orgel geschrieben, präsentierte das Rastrelli Cello Quartett alles, was man von einem Konzert erwarten kann. Schon nach wenigen Takten atmete die Toccata, gab sich mal leisetreterisch, dann wieder raumgreifend, ein Auf und Ab, Vor und Zurück im strengen Spiel, durch das immer wieder kleine Melodien tänzelten. Doch was am stärksten neben diesem ausgesprochenen Gespür für die Musikalität beeindruckte, war die fast schon perfekte Harmonie der vier Cellisten. Und das, obwohl Sergio Drabkine, Gründer und Arrangeur, krankheitsbedingt durch Sergej Novikov ersetzt werden musste.

Die vier Musiker, die alle in St. Petersburg studiert haben, waren aufeinander abgestimmt wie ein Uhrwerk. Ob gemeinsam oder den wechselnden Solostimmen raumgebend, immer stand das Quartett, benannt nach dem italienischen Architekten Rastrelli, der von Peter dem Großen beauftragt war, St. Petersburg zu erbauen, als Ganzes im Vordergrund. Keiner drängelte nach vorn oder nahm sich allzu sehr zurück in diesem fein ausbalancierten Gemeinsam. Und mit dem letzten Bogenstrich der Toccata kam dann das Drängen auf, schon jetzt, nach dem ersten Stück, zu gehen. Doch man zwang sich zu bleiben, weniger wegen der Gefahr sondern wegen der Möglichkeiten, die dieses Konzert noch bieten würde.

Enttäuscht wurde man nicht. Ob die ausgelassenen Zigeunerweisen von Sarasate oder die Georgische Suite von Sulkhan Zinzadze, das Rastrelli Cello Quartett wusste immer wieder zu überraschen. Und wann bekommt man schon die Titelmelodie zu den James-Bond-Filmen in Kammerbesetzung geboten? Auch die anfängliche Skepsis, ob vier Celli Jazzklassikern wie Jimmy Forrests „Night Train“ oder Paul Desmonds „Take Five“ gerecht werden können, wurde von den Musikern ohne viel Federlesen aus dem Foyer gespielt. Denn schon zuvor hatten sie mit Bowmanns „On the 12th Street“ und Gershwins „Rhapsody“ und „Porgy and Bess“ gezeigt, dass durch eine gesunde Mischung aus Respekt und Respektlosigkeit aus diesen Gassenhauern zwar nichts Neues aber doch wieder etwas Frisches entstehen kann. Mit dem letzten Stück des offiziellen Programmteils – „Take Five“ – deutete das Rastrelli Cello Quartett noch kurz an, dass es auch rocken, kann wie die finnischen Metal-Cellisten von Apocalyptica. Das Publikum geriet danach fast aus dem Häuschen.

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