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Kultur: Grenzgänge

Das Persius Ensemble spielte zu seinem Geburtstag

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Was die russische Komponistin Sofia Gubaidulina als Motiv ihres Werks „Concordanza“ beschreibt, gilt nicht nur für sie: „der Wunsch, inmitten einer von Dissonanzen erfüllten Klangwelt eine Konkordanz zu finden“. Auch die Konzerte des Persius-Ensembles vermitteln zwischen Kontrasten, indem sie ideelle Verbindungen zwischen Baukunst und Kammermusik schaffen. Aus dieser anspruchsvollen und originellen Veranstaltungsidee sind bereits 20 verschiedene Konzerte an verschiedenen Orten in Potsdam und der Mark Brandenburg hervorgegangen. Nun wurde das 10-jährige Jubiläum unter dem Motto: „Musiker sind die Architekten des Himmels“ gefeiert.

Das ließ sich zwar in der niedrigen Gewölbehalle des Kutschstalls im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte optisch nicht so gut nachvollziehen. Doch die Musik und die zwei Kurzvorträge von Karin Flegel über „Kunstformen der Natur – Vorbilder der Architektur“ regten Sinne und Verstand auf vielfältige Weise an. Die Potsdamer Architektin und Chefin der Urania, von Anbeginn am Entstehen der Persius-Konzerte beteiligt, sprach über zwei Grenzgänger zwischen Naturwissenschaft und Kunst: Georg Flegel und Ernst Haeckel.

Obwohl rund 300 Jahre zwischen ihnen liegen, ist beiden eine ausgeprägt geometrische Anordnung ihrer Gegenstände eigen. Beide suggerieren mit hochfeiner Maltechnik Illusionen von Wirklichkeit und zielen damit zugleich auf verborgene Bedeutungen jenseits der sichtbaren Oberflächen.

Während Georg Flegel, Begründer der Stillebenmalerei in Deutschland, von der malerischen Seite kam, gelangte Ernst Haeckel, Mediziner, Anatom, Zoologe, von den Naturwissenschaften zu ähnlichen Ergebnissen. Sein 1899 erschienenes Buch „Kunstformen der Natur“, mit hervorragenden Zeichnungen aus seiner Hand, wurde ein Klassiker, der viele Jugendstilkünstler beeinflusste. Recht locker zog man Verbindungen zur Musik des Abends, doch bei näherer Betrachtung lassen sich natürlich auch hier viele Querlinien finden, spirituelle ebenso wie rein pragmatische.

Der Komponist Frans Coenen ist nicht nur Holländer und damit quasi schon von Hause aus mit dem Genre des Stilllebens vertraut, sondern er schrieb auch ein Originalnonett – höchstwillkommen für das Persius-Ensemble, das eben diese seltene Besetzung von neun Musikern pflegt. Es entpuppt sich als spätromantisches Werk in fünf Sätzen, bestehend aus rhapsodisch aneinandergereihten Klängen und Motiven, einige davon sehr originell und klangvoll. Claude Debussys „L“après-midid“un faun“ scheint in der Besetzung für neun Solisten (vier Streicher, fünf Bläser) etwas von seiner luftig-schillernden Leichtigkeit einzubüßen. Das Fehlen der zwei Harfen ist zu merken. Trotz sehr schön gespielter Flöte (Bettina Lange) und Violine (Peter Rainer) wirkt es insgesamt relativ handfest und kompakt, quasi architektonisch verdichtet.

Sofia Gubaidulinas „Concordanza“ wiederum benötigt nur einen Percussionisten (Friedemann Werzlau) als Verstärkung. Hier werden geometrische Strukturen in der Musik deutlich sichtbar. Es bleibt aber dabei transparent. Überlegen spielt Gubaidulina mit den Möglichkeiten der Register und der Technik. So hört man vielerlei vom hohen Flageolett bis zur tiefsten Basslage, allerlei Saitentöne von staccato, pizzicato bis zum Bogenschlagen „col legno“, entfesseltes Schlagwerk und sogar Zischeltöne der Bläser.

Das Persius-Ensemble legt einen faszinierenden modernen Klangteppich aus, in dessen ruhendem Zentrum im Sinne der Komponistin eine Rückbindung an eine sinnhafte Gestalt gespürt und gefunden werden kann.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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