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Kultur: Grenzgänger Cellostar Steven Isserlis

in den Neuen Kammern

Stand:

Auch das Aufstellen von Sitzgelegenheiten ist eine Kunst. In Sanssoucis historisch herrlichen, aber akustisch heiklen Räumlichkeiten besonders. Um das Erklingen von alten Instrumenten in der Ovidgalerie der Neuen Kammern zu verbessern, ist beim Auftritt des britischen Starcellisten Steven Isserlis und seiner Cembalopartnerin Maggie Cole das Podium nunmehr mittig an der Fensterseite aufgestellt. Das Publikum umsitzt es im Geviert. Die bisherigen Eindrücke von akustischer Härte sind plötzlich vergessen. Ein gutes Omen für das kurzfristig umgestellte Musikfestspiele-Konzert des leidenschaftlichen Grenzgängers zwischen Barock und Moderne.

Und Briobrodelndes ist es denn auch was den Abend durchgängig bestimmt. Am Anfang und Ende stehen die Gambensonaten G- Dur BWV 1027 und D-Dur BWV 1028 von Joh. Seb. Bach, die (auf Grund inniger instrumentalfamiliärer Verwandtschaft auf dem Violoncello stilgenau aufgeführt) mit großem, warm getöntem, gefühlvollem und singendem Ton erklingen. Voller Verinnerlichung spielt er die langsamen Sätze, das virtuose Feuerwerk der Allegrosätze aus sichtbar lockerem Handgelenk. Emotionen drücken sich sowohl in seinem Mienenspiel als auch in körperlicher Hingabe aus. Bisweilen muss man Angst haben, dass die Saitendiva vom Stuhl kippen könnte! Auch zeigt Steven Isserlis keinerlei Scheu vorm Vibrato, was den Ton sehr voluminös werden lässt. Alte-Musik-Asketen werden die Nase rümpfen – die Ohren der anderen baden dagegen in Wonnen. Ein blutvoller Bach.

Des galanten Schwärmens und vollmundigen Wohlklingens ist auch in Luigi Boccherinis G-Dur-Sonate und in der von Isserlis für das Duo arrangierten d-Moll-Sonate von Domenico Scarlatti kein Ende. Feinsinnig und dynamisch fein schattiert werden hier wie dort ein Grave, Largo oder Menuett ausgeführt. Geradezu martialisch beherrscht Boccherinis tonmalerisches „Allegro militare“ das (Klang-)Schlachtfeld.

Fast stets findet sich das Cembalo in dienender Funktion wieder: es parliert flink, rauscht wie ein Wasserfall, brilliert mit Verzierungen. Solistisch führt Maggie Cole das für sie geschriebene Stück „After Handel“s Vesper“ von Gavin Bryars (geb. 1943) auf. Es wird vom Arpeggieren dezent-moderner Harmonien und Ostinatopassagen in Glass“scher Manier bestimmt. Eine nichts sagende, durchaus entbehrliche Wasserfall-, dann Tröpfelmusik.

Die wiederholt angerissene tiefe Cellosaite erzeugt Klänge gleich düsteren Glockenschlägen, mit denen sich Benjamin Brittens meditative, dann wieder in Leidenschaft lodernde 3. Suite für Violoncello solo eröffnet. Expressives Spiel in abrupten Wechseln bestimmt Isserlis“ Lesart, die durch ihre ungebremste Intensität die Hörer schier staunen macht. Der Jubel kennt keine Grenzen. Peter Buske

Für das heutige Konzert „For a Mad King“ mit Mitgliedern der Kammerakademie Potsdam und Kelvin Thomas, Bariton, im Palmensaal im Neuen Garten (Beginn 20 Uhr) sind Karten erhältlich

Peter Buske

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