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Kultur: Grobgehacktes vom Kasernenhof

Holger Müller als Ausbilder Schmidt

Stand:

Ausbilder Schmidt von der Bundeswehr ist ein Unikum, ein Unikat, ein grober Klotz, ja eigentlich das, was man in besseren Kreisen „Urvieh“ nennt. Seit genau zehn Jahren macht er die deutschsprachigen Brettl-Bühnen mit seinen ätzend-scharfen Sentenzen über alles Mögliche „rund“. Natürlich darf man als pädagogisches Vorbild dabei vor nichts zurückschrecken. Weder vor makabren Witzen über hundertjährige Mitkämpfer aus dem Altenheim „Zur Goldenen Urne“, die sich gut als „Chemiebombe“ eignen, noch vor Halloween, wo er Kinder auf die Frage „Süßes oder Saures?“ zum Opa raufschickt: „Der hat Zucker!“

Lacher solcher und noch viel gescheiterer Art produzierte der erzgescheite „Ausbilder Schmidt“ alias Holger Müller am Sonnabend im nicht ganz ausverkauften Lindenpark beinahe zwei Stunden nonstop. Gemäß seiner Grundausbildung legt man sein Grobgehacktes zwar bei den „Comedys“ ab, aber das ist der 1969 in Idar-Oberstein geborene Schauspieler nicht. Er wird auf jeder Kabarett-Bühne brillieren – und jede könnte von ihm lernen. Mut zum Beispiel, keinem Thema auszuweichen, auch das Makaberste nicht zu scheuen, Geschick, fast alle gesellschaftlichen Tabus mit Frech- und Freiheit künstlerisch zu unterlaufen. Wo, wenn nicht auf der Bühne, wäre es denn möglich, bei jeder Gelegenheit mitzuteilen, wie gerne er doch das „nur eine Panzerstunde von Köln entfernte“ Holland „besetzen“ würde! Ein Vorbild durch und durch: Der Mann in der verwaschenen BW-Uniform, rotes Barett, begrüßt seine Rekruten nicht nur mit einem forschen „Moin, Ihr Luschen!“, er quetscht auf der Autobahn gern auch mal ein paar Caravans mit seinem Lieblings-„Leopard“ zu Brei. Parkplatzsorgen kennt der nicht! Und wenn ihn ein Schnarcher im Nachbarzelt stört, murkst er ihn kurzerhand mit den Worten ab: „Sterbehilfe ist doch in Holland erlaubt“.

Einen besseren Militaristen gibt es hierzulande überhaupt nicht, dafür aber jede Menge Kabarett- und Comedy-Luschen. Sein Trick ist ja, alles durch die Brille des Militärischen oder militärisch Verwertbaren hindurchzumüllern, sowohl seine „gelangweilten“ Spermien, die erst nach einem Anschnauzer das „Prinzip Blitzkrieg“ verstehen als auch Ur-Opa („Altersflecken sind die beste Tarnung“) oder Zivis.

Nicht umsonst ging er durch die Reihen und kommentierte forsch „Haare zu lang“. Gebot er aufzustehen, so folgte das eher mittelalte Publikum diesem Befehl, sollte sich ein junger Mann seinen Geburtstagsgruß „im Laufschritt!“ abholen, so trabte der auch tatsächlich los. Schmidt hatte alles im Griff, den selbst inszenierten Auftritts-Applaus und jene, die er nach der Pause persönlich von der Toilette zurückholt.

Nach Abschaffung der ordinären BW gehen ihm dann zwar die einfachen Rekruten aus, aber dafür kommen ganz andere: Klaus Kinski, Herbert Grönemeier und Reiner Calmund. Zum Schießen, wie gekonnt er die parodiert. Und was ist gleich noch der Unterschied zwischen Papst Benedikt und einem von jenseits der Oder? „Dieser Deutsche ist der erste, der einem Polen den Arbeitsplatz weggenommen hat“.

„Comedy“? Wenigstens dieses Müllers Bühne traut sich noch auszusprechen, was sich manch einer in vorauseilender, korrektester und untertänigster Selbstzensur selbst schon zu denken versagt hat: Dreifacher Chapeau! Gerold Paul

Gerold Paul

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